„Piloten verdienen Vertrauen“

Berlin/Düsseldorf · Dass einer der ihren ein Verkehrsflugzeug mit 150 Menschen an Bord bewusst zum Absturz gebracht haben soll, ist für viele Piloten ein Schock. Der Präsident ihrer Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC), Ilja Schulz, warnt im Gespräch mit SZ-Mitarbeiter Maximilian Plück dennoch vor vorschnellen Schlüssen.

Wie kann man den Kunden die Angst vorm Fliegen nehmen?

Schulz: Natürlich kann ich nachvollziehen, dass Kunden nun verunsichert sind. Aber an den jahrzehntelang erfolgreichen hohen Sicherheitsstandards bei Auswahl und Ausbildung von Personal hat sich nichts geändert. Es gibt keinen Grund, den Piloten weniger zu vertrauen. Bei dem Absturz deutet derzeit alles auf einen Einzelfall hin.

Ärgert es Sie, dass die französische Staatsanwaltschaft derart früh die Suizidthese vertreten hat?

Schulz: Alle Fakten stützen zwar die Selbstmordtheorie. Dennoch wäre es falsch, andere Faktoren von vornherein auszuschließen. Das Vorgehen des Staatsanwalts war deshalb völlig unverantwortlich. Die Daten hätten bis zur vollständigen Aufklärung vertraulich bleiben müssen. Stattdessen wurde die Öffentlichkeit bewusst in eine Richtung gedrängt. Mich hat auch geärgert, wie viel an die Presse durchgestochen wurde. Das ist unerträglich. Sinn und Zweck der Untersuchung ist es doch herauszubekommen, was wirklich passiert ist, um im Nachklang Verfahren zu finden, die solche Unglücke verhindern und die Flugsicherheit weiter erhöhen. Das sind wir den Angehörigen der Opfer schuldig.

Wie sehen Sie die Forderung nach einem psychologischen Gutachten für alle Verkehrspiloten alle zwei Jahre?

Schulz: Davon halten unsere Psychologen überhaupt nichts, weil das auch nur eine Momentaufnahme ist. Kommt es zu einschneidenden Erlebnissen - zum Beispiel Todesfall oder Ehekrise -, kann sich der Zustand eines Menschen in kürzester Zeit ändern. Viel wichtiger ist die schon heute etablierte kontinuierliche Betreuung, zum Beispiel durch die zwei Simulator-Überprüfungen und die eine Flug-Überprüfung im Flugzeug. Hier beurteilen Ausbilder genau wie das Team zusammenarbeitet. Wer psychisch instabil ist, würde auffallen und kann nötige Hilfestellungen bekommen.

Verkehrspolitiker haben verlangt, Piloten müssten zu vom Arbeitgeber bestimmten Ärzten gehen. Und diese sollten gegenüber dem Arbeitgeber und dem Luftfahrtbundesamt von ihrer Schweigepflicht entbunden sein.

Schulz: Das kann nur jemand sagen, der von der Materie gar keine Ahnung hat. Wenn mein Arzt von der Schweigepflicht entbunden ist, werde ich ihm gegenüber kein Problem ansprechen, weil immer die Angst vorm Fluglizenz-Entzug mitschwingt. Besteht die Schweigepflicht, kann der Arzt dagegen echte Hilfe anbieten.

Der Flugzeug-Absturz über Südfrankreich hat eine Debatte um die ärztliche Schweigepflicht entfacht. Vor dem Hintergrund von Spekulationen über eine mögliche Erkrankung des Copiloten forderte der CDU-Politiker Dirk Fischer eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht für sensible Berufe. In der "Rheinischen Post" schlug er vor, dass Piloten zu Ärzten gehen müssten, die vom Arbeitgeber vorgegeben werden. Dagegen sprach sich Parteikollege Jens Spahn (CDU ) gegen eine Lockerung der Schweigepflicht aus. Der Patient müsse sich immer auf das besondere Vertrauensverhältnis zum Arzt verlassen können, "nur dann wird er ehrlich und offen sein", sagte Spahn der "Rheinischen Post" .

Auch der Präsident der Bundesärztekammer , Frank Ulrich Montgomery , warnte vor vorschnellen politischen und rechtlichen Entscheidungen. Er verwies zudem auf die Regelung, nach der Ärzte Auskunft geben dürfen, "soweit die Offenbarung zum Schutze eines höherwertigen Rechtsgutes vor schweren Schäden erforderlich ist". Dies sei jedoch immer im Einzelfall zu entscheiden.

Meinung:

Ein Problem, das keines ist

Von SZ-KorrespondentStefan Vetter

Vor dem Hintergrund der psychischen Probleme des deutschen Todes-Piloten über den französischen Alpen ist nun auch die ärztliche Schweigepflicht ins Gerede gekommen. Doch das ist eine verquere Debatte. Denn schon nach geltendem Recht ist die Schweigepflicht eines Arztes nicht unantastbar. Wenn ein Mediziner zum Beispiel Anzeichen für eine Kindesmisshandlung sieht, hat er das den Behörden mitzuteilen. Übertragen auf den aktuellen Fall bedeutet das: Schon bei einem Zweifel an der Flugtauglichkeit des Co-Piloten wäre der Arzt verpflichtet gewesen, den Arbeitgeber darüber zu informieren. Problematischer ist allerdings, warum Piloten nicht in regelmäßigen Abständen auf ihre psychische Verfassung hin untersucht werden und darüber verpflichtende Nachweise für ihre Airline erbringen müssen. Dass der Co-Pilot der abgestürzten Germanwings-Maschine nach jüngsten Erkenntnissen schon früher als selbstmordgefährdet galt, wäre dann womöglich nicht so einfach unter den Tisch gefallen.

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