Neue Metro-Linie in Paris Neue Tunnel verbinden ganz Paris

Paris · Größtes Infrastrukturprojekt Europas: Die neue Supermetro soll die Isolation der Vorstädte beenden.

 Eine Supermetro soll die Pariser Vorstädte miteinander verbinden.

Eine Supermetro soll die Pariser Vorstädte miteinander verbinden.

Foto: dpa/Ian Langsdon

Die Tunnelbohrungen für das größte Infrastrukturprojekt Europas haben begonnen. Eine Supermetro rings um Paris soll vor allem die Vorstädte der französischen Hauptstadt miteinander verbinden. Bisher herrscht in vielen Banlieues, die vor allem im Norden und Osten von Paris mit hoher Kriminalität und Arbeitslosigkeit zu kämpfen haben, ein Gefühl der Isolation.

„Die Linie 15 wird von der Bevölkerung so sehnlich erwartet“, bemerkt Christian Favier, der Vorsitzende des Departementsrates, bei der Zeremonie zum offiziellen Baubeginn im Vorort Champigny-sur-Marne. „La Quinze“, die Ringbahn rund um Paris, ist das Herzstück des Projekts. Vier neue Metrolinien, 200 Kilometer Strecke und 68 Bahnhöfe gehören zum Mammutprogramm „Grand Paris Express“, das bis 2030 den Nahverkehr im Großraum Paris mit seinen zwölf Millionen Einwohnern neu strukturieren soll. Die Einwohner der Banlieues können dann mit der Bahn in wenigen Minuten direkt von einem Vorort zum anderen fahren, ohne den zeitraubenden Umweg nach Paris zu machen.

Die Hauptstadtregion kämpft außerdem wegen des großen Verkehrs-
aufkommens seit Jahren gegen die Luftverschmutzung, die an sonnigen Tagen den Eiffelturm in eine gelb-graue Wolke hüllt. Bürgermeisterin Anne Hidalgo will deshalb ab 2030 Verbrennungsmotoren in der Hauptstadt verbieten. Außerdem ließ sie 2016 die Uferstraße rechts der Seine für Autos sperren – sehr zum Ärger der Bürgermeister der Vorstadtgemeinden. Denn gerade die Bewohner der Banlieues pendeln mit dem Auto in die Stadt, da es für sie bisher keine vernünftige Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln gibt.

Wo die neue Metro 15 genau verlaufen soll, zeigt eine Informationstafel auf dem Parc du Plateau in Champigny. Rund um die neuen Bahnhöfe entstehen Geschäfte, Büros und Wohnungen für mehrere zehntausend Menschen. Wie genau die Zukunft aussehen soll, zeigen andere Informationstafeln, die die Societé du Grand Paris auf dem Parc du Plateau aufgestellt hat. Das staatliche Unternehmen, das Bauherr des Mega-Projekts ist, öffnet mehrmals im Jahr seine Baustellen, um die Bevölkerung über den Stand der Arbeiten zu informieren. „Man muss die Anwohner bei diesem Projekt mitnehmen“, sagt Chef Philippe Yvin.

Das Absenken der ersten Tunnelbohrmaschine in einen 20 Meter tiefen Graben hat er deshalb als großes Event mit Fanfarenzug und Maschinentaufe inszeniert. Von einem Stahlgerüst aus können die Einwohner von Champigny in die Tiefe blicken und die imposante Tunnelbohrmaschine des deutschen Herstellers Herrenknecht sehen. „Steffie“ heißt das Ungetüm, nach einer der wenigen Frauen benannt, die unter der Erde im Tunnelbau arbeiten. Der blauen Scheibe mit zehn Metern Durchmesser folgt ein hundert Meter langer Zug mit Spezialvorrichtungen zum Setzen der Betonhülle, Pilotenkabine und Wagen zum Transport der ausgehobenen Erde nach draußen. „Wir haben Teams von 20 Leuten, die in drei Schichten rund um die Uhr unter der Erde arbeiten werden“, beschreibt der Ingenieur Sebastien Trarieux die Bohrung. Wie ein riesiger Maulwurf gräbt sich „Steffie“ dann jeden Tag etwa zwölf Meter durch den Boden, um 2,2 Kilometer weiter in Villiers-sur-Marne herauszukommen. Danach wird die Maschine irgendwo anders eingesetzt. Die Flughäfen Orly und Charles de Gaulle sollen dadurch ebenso an Paris angebunden werden wie die nördlichen Vorstädte.

In Clichy-sous-Bois, wo 2005 die Vorstadtunruhen begannen, besteht dieses Versprechen seit mehr als zehn Jahren. Die Umsetzung droht sich nun allerdings weiter zu verzögern, denn „Grand Paris Express“ wird deutlich teurer als gedacht. Auf 19 Milliarden Euro waren die Kosten der „Jahrhundertbaustelle“ 2010 berechnet worden. Inzwischen kalkuliert der Rechnungshof mit rund 35 Milliarden Euro. Der Bau der Linie 16, die Clichy-sous-Bois endlich aus ihrer Isolation befreien sollte, wird erst einmal verschoben. Ebenso wie die Linie 17, die vorerst nur zu den olympischen Sportstätten führen soll und nicht wie geplant bis zum Flughafen Charles de Gaulle. Noch hält die Regierung an allen Streckenabschnitten fest, legt sich aber nicht auf einen Zeitplan fest. Klar ist nur, dass die für die Olympischen Spiele notwendigen Linien zuerst gebaut werden.

„Ich finde es gut, dass der Zeitrahmen gestreckt wurde“, sagt Martin Herrenknecht, Chef der gleichnamigen Weltmarktführers für Tunnelbohrmaschinen im baden-württembergischen Schwanau. „Wenn man das Programm wie geplant durchgezogen hätte, wäre das Personal knapp geworden.“ Elf Tunnelbohrmaschinen hat er bereits für „Grand Paris Express“ verkauft. „Ich hoffe, dass es noch mehr werden.“

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