„Mein Boss hat mich ausgenutzt“

Washington · Zehn Jahre lang hat die berühmteste Praktikantin der Welt ein sehr privates Leben geführt. Nun kehrt sie mit neuen Details über ihre Affäre mit Bill Clinton zurück – kurz bevor dessen Frau Hillary Präsidentin werden will.

Warum sie jetzt ihr Schweigen bricht? Sie wolle nicht länger auf Zehenspitzen schleichen, weder um ihre eigene Vergangenheit noch um die Zukunft anderer Leute, schreibt Monica Lewinsky im Promi-Magazin "Vanity Fair". "Es ist an der Zeit, das Barett zu verbrennen und das blaue Kleid zu begraben." Das Barett trug sie manchmal im Weißen Haus. Zu sehen ist es auf einem Foto, das sie bei einer Umarmung mit Bill Clinton zeigt. Und das blaue Kleid, auf dem sich Spermaspuren Clintons befunden haben sollen, wurde zum Beweisstück im Amtsenthebungsverfahren, das der damalige Staatschef nur mit Müh und Not überstand.

Es ist 19 Jahre her, dass Lewinsky ein Praktikum in der Machtzentrale der USA begann, unbezahlt zwar, aber für junge Amerikaner mit politischen Ambitionen ein Traum. 1998 dann, als ihre Affäre mit dem Präsidenten ans Licht kam, war sie plötzlich, die berühmteste Praktikantin der Welt. Wie Hillary Clinton sie damals sah, wurde erst kürzlich bekannt, als ihre Korrespondenz mit der verstorbenen Freundin Diane Blair publik wurde - "eine narzisstische Witzfigur".

Vielleicht war es das, was Lewinsky anstachelte, sich selber zu Wort zu melden. "Ich bedaure zutiefst, was zwischen mir und Präsident Clinton passiert ist", betont sie. "Sicher, mein Boss hat mich ausgenutzt. Aber ich werde immer auf diesem Punkt beharren: Es war eine Beziehung im gegenseitigen Einverständnis." Zu Missbrauch sei es erst später gekommen, als man sie zum Sündenbock stempelte, "um seine Machtposition zu schützen".

Es ist nicht so, dass Lewinsky in der Zwischenzeit komplett abgetaucht wäre. Eine Weile versuchte sie klingende Münze aus ihrem Ruhm zu schlagen. Sie warb für Schlankheitskuren, verkaufte selbst entworfene Handtaschen, einmal wagte sie sogar einen Ausflug ins Reality-Fernsehen. Dann wurde es still um die Kalifornierin. 2005 zog sie an die Themse, um an der London School of Economics Sozialpsychologie zu studieren. Stets auf ihre Privatsphäre bedacht. Eine feste Anstellung bekam sie allerdings seit dem Skandal nicht mehr. Sie sei zwar mehrfach eingeladen worden zu Vorstellungsgesprächen. "Doch nie schien ich die Richtige zu sein für den Job - wegen meiner Vorgeschichte."

Warum sie ausgerechnet jetzt die große Bühne sucht, begründet die 40-Jährige mit einem schockierenden Schlüsselerlebnis, dem Selbstmord eines schwulen Studenten. Tyler Clementi war achtzehn, als er von einer Brücke sprang. Ein Kommilitone hatte heimlich gefilmt, wie Tyler einen Mann küsste - und angekündigt, Live-Aufnahmen des nächsten Techtelmechtels via Internet zu verbreiten. Wenn sie ihre Geschichte erzähle, habe Lewinsky überlegt, könne sie anderen vielleicht beistehen im Moment ihrer schlimmsten Demütigung.

Es gibt nicht viele, die ihr das abnehmen. Im politischen Washington gibt es eine andere Theorie: 2016 dürfte Hillary Clinton fürs Oval Office kandidieren, und sie scheint gute Karten zu haben. Ein Scheitern ist möglich, wenn ihre konservativen Widersacher die Sache mit der Praktikantin noch einmal aufwärmen würden. Das klingt abstrus, ist es aber nicht: Rand Paul, ein aufstrebender Republikaner, ließ schon mal einen Testballon steigen. Angesichts des "raubtierhaften" Sexualverhaltens Bill Clintons, stichelte der Senator aus Kentucky, möge sich der Wähler genau überlegen, ob er dem Mann den Weg zurück an die Pennsylvania Avenue ebnen wolle, diesmal als dem Gatten der Präsidentin.

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