Hagebuttentee im Stockbett

Bielefeld/Saarbrücken · Die 500 gemeinnützigen Jugendherbergen im Land erfreuen sich großer Beliebtheit – aller Konkurrenz durch die wachsende Zahl privater Hostels zum Trotz. Ist das angestaubte Image von der kargen Herberge überholt?

Sie schmeckt nach Hagebuttentee und Nudelsalat , klingt nach geflüsterten Geistergeschichten im Mehrbettzimmer, hallt nach wie eine lärmende Jugendgruppe am Tischkicker: Die Erinnerung an die Jugendherberge fühlt sich gut an, aber auch ein wenig angestaubt. Immerhin: Mehr als 100 Jahre alt ist die Idee, ein deutschlandweites, preisgünstiges Netz an Übernachtungsmöglichkeiten für junge Leute zu schaffen. Im Saarland gibt es fünf Jugendherbergen. Zeit, die gängigen Klischees rund um die Jugendherberge zu überprüfen.

Jugendherbergen sind auf dem absteigenden Ast: Ganz und gar nicht. Trotz Konkurrenz durch Privatanbieter im Hostel-Sektor können sich Jugendherbergen auf dem Markt behaupten. Das zeigen die gestern veröffentlichten Zahlen zur Jahresbilanz des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH). Insgesamt verbuchten die 487 DJH-Häuser ein Plus von 1,75 Prozent bei den Übernachtungen. 2015 kletterte deren Zahl damit auf mehr als 10,2 Millionen. Wie stark eine Jugendherberge nachgefragt ist, hängt vom Standort und Angebot ab: Wo viele Touristen sind, etwa in Großstädten oder am Meer, sind die Betten oft ausgebucht. 80 Prozent aller Herbergen befinden sich aber außerhalb der Großstädte. Hier versuchen die Betreiber ihr Klientel mit spezialisierten Angeboten zu locken.

Jugendherbergen sind mit ihrer Geschichte von mehr als 100 Jahren eine überholte Idee: Der Lehrer Richard Schirrmann kam 1909 auf die Idee der günstigen Unterkünfte. Er wollte damit Schulkindern aus Städten die Chance geben, die Natur zu entdecken. Daraus entwickelte sich der bis heute gültige Jugendherbergsgedanke. Natur, Begegnung, Gemeinschaft - diese Werte gelten noch immer, erhalten aber einen moderneren Anstrich. "Wir passen uns den Bedürfnissen an, ohne aus den Augen zu verlieren, wofür wir stehen", sagt DJH-Hauptgeschäftsführer Bernd Dohn. Ein Beispiel: Statt Wandertag gibt es heute Geocaching oder Survival-Training.

Hagebuttentee und Doppelstockbetten - mit Komfort brauche ich nicht zu rechnen: Mit einem etwas angestaubten Image kämpfen die Jugendherbergen bis heute. Tatsächlich hat sich vieles, aber keinesfalls alles gewandelt: Gebäude wurden modernisiert, Angebote angepasst. Je nach Standort wirbt das Herbergswerk um Familien, Backpacker oder eben Schulklassen oder junge Seminarteilnehmer. In die Qualität und Sicherheit werde dabei kontinuierlich investiert, versichert Dohn, so dass bequeme Betten und schmackhafte Verpflegung Standard seien.

"Wir wollen aber weder Hotels noch Billiganbieter der Hostel-Industrie sein", stellt er klar. Auch wenn es inzwischen auch Doppelzimmer gebe und immer weniger Massenschlafsäle, das Hauptaugenmerk liege auf Zimmern mit vier bis sechs Betten - auch oft doppelstöckig. "Wer fragt, kriegt bestimmt auch Hagebuttentee", scherzt Dohn.

Jugendherberge, Hostel, Billighotel - ist doch alles dasselbe: Stimmt nicht. Das DJH betreibt seine Häuser als gemeinnütziger Verband. Die Herbergen sind also dem Auftrag verpflichtet, die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen zu fördern. Das beschert den Betreibern Steuervergünstigungen und andere Zuschüsse - oft zum Ärger privater Anbieter, die eine Wettbewerbsverzerrung beklagen.

Der Hotel und Gaststättenverband sieht in Fällen ein Problem, in denen Herbergen den Hotelangeboten zu ähnlich würden und ihre Satzungsziele aus den Augen verlören. "Neben jungen Menschen aus aller Welt werden zunehmend Familien, Geschäftsreisende und Senioren offensiv angesprochen", beklagt Dehoga-Sprecherin Heckel.

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