Erst Blumen, dann Telefon-Terror

Berlin. Mit einem Blumenstrauß für die nett lächelnde Nachbarin kann es anfangen. Die nächste Stufe des hartnäckigen Nachstellens sind pausenlose Anrufe, schließlich traut sich das bedrängte Opfer nicht mehr aus der Wohnung

 In Berlin Steglitz ist die erste Stalker-Beratungsstelle untergebracht. Foto: dpa

In Berlin Steglitz ist die erste Stalker-Beratungsstelle untergebracht. Foto: dpa

Berlin. Mit einem Blumenstrauß für die nett lächelnde Nachbarin kann es anfangen. Die nächste Stufe des hartnäckigen Nachstellens sind pausenlose Anrufe, schließlich traut sich das bedrängte Opfer nicht mehr aus der Wohnung. "Beim Stalken ist es wie bei einer Sucht - die Täter erhöhen die Dosis immer mehr, um eigene Größe zu fühlen", sagt der Psychologe Wolf Ortiz-Müller. Er ist Leiter der bundesweit ersten Beratungsstelle für Stalker, die gestern in Berlin eröffnet wurde. Mit "Stop-Stalking" betritt das Team um den Psychologen Neuland, denn ein Projekt für Täter, die nicht aufhören können, andere zu belästigen, gab es bislang nicht.

"Wir verstehen es auch als Opferschutz, wenn wir an die Täter rankommen", betont der 46-Jährige, der mit vier weiteren Experten helfen will. Neben dem seit einem Jahr geltenden Strafrechtsparagrafen 238, der Stalking unter Strafe stellt, würden Konzepte gebraucht, damit Stalker von "ihrer dunklen Seite" loskommen könnten.

Das Projekt "Stop-Stalking" gehört zum Berliner Krisen- und Beratungsdienst. Der Verein, der psychosoziale Hilfen anbietet, ist auf Spenden angewiesen. "Senatsgelder bekommen wir bislang nicht", sagt Ortiz-Müller. Er gehe von einem großen Hilfsbedarf bei Stalkern aus. Allein in Berlin seien im Vorjahr mehr als 1000 Stalking-Anzeigen erstattet worden, mehr als 100 Anklagen seien anhängig. Gerade beginnt in Berlin ein Prozess gegen einen Mann, der seine frühere Lebensgefährtin mit SMS bombardiert und ihr Salzsäure ins Auto gegossen haben soll.

Der Begriff "Stalking" kommt aus dem Englischen und bedeutet Anschleichen. Stalker nähmen die Wirklichkeit verzerrt war, sagt der Experte. Da werde dann aus dem unverbindlichen Lächeln der Nachbarin ein Liebesbeweis.

"Wir verurteilen die Tat, aber nicht den Menschen", sagt der Psychologe. Stalker, die sich direkt an die Beratungsstelle wenden, könnten beim ersten Kontakt anonym bleiben. Dann wird es aber konkret: mit einem schriftlichen Konzept und bis zu 15 Gesprächen.

"Wer nicht bereit ist, das eigene Verhalten infrage zu stellen, kann nicht aufgenommen werden." Wer sich als Opfer sehe und die Schuld bei anderen suche, habe keine Chance. "Stalken ist zuerst soziales Fehlverhalten."

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