Der nächste Sieg für Schwule und Lesben

Volker Beck, der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen im Bundestag, konnte sein Glück gestern kaum fassen: „Ich bin überglücklich, weil unsere Strategie, gleiche Pflichten für Lebenspartnerschaften zu begründen und die entsprechenden Rechte notfalls in Karlsruhe zu erstreiten, voll aufgegangen ist“, sagte der bekennende Schwule unserer Zeitung. Die Union habe sich mit ihrem Beharren auf der steuerrechtlichen Ungleichheit zwischen Ehen und Lebenspartnerschaften „völlig blamiert“.

 Grafik: Robby Lorenz

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Ähnlich argumentierte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß. "Das ist der erwartete Tritt gegen die gesellschaftspolitische Blindheit und Inkompetenz der Union", meinte er auf SZ-Nachfrage. Das Urteil der FDP über den Koalitionspartner fiel ebenfalls drastisch aus. Generalsekretär Patrick Döring sprach gestern von einem "Schuss vor den Bug der Union, die sich in dieser Frage als Blockierer erwiesen hat".

Tatsächlich hat das Bundesverfassungsgericht in den politischen Dauerstreit um die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare schon mehrfach eingegriffen. Und stets zog die Union dabei mit ihrer Auffassung, die Ehe weiter zu privilegieren, den Kürzeren. Erst im Februar stärkte Karlsruhe das Adoptionsrecht von Lesben und Schwulen. Und in den Jahren 2012 und 2010 hatten die obersten Richter Benachteiligungen homosexueller Paare bei der Grunderwerbsteuer und Erbschaftssteuer als verfassungswidrig eingestuft.

So war es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, dass Karlsruhe auch die Ungleichbehandlung im Einkommensteuerrecht kippen würde. Doch obwohl es nicht an warnenden Stimmen aus den eigenen Reihen mangelte, sprach sich die CDU noch im letzten Dezember auf ihrem Bundesparteitag mit Zwei-Drittel-Mehrheit gegen eine steuerliche Gleichstellung der Homo-Ehe aus.

Dieser Beschluss ist nun praktisch Makulatur. Nach dem aktuellen Karlsruher Urteil muss das Ehegatten-Splitting auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften ausgeweitet werden. Bislang war für sie nur eine steuerliche Einzelveranlagung möglich. Im Vergleich zu den Ehen sind Lebenspartnerschaften dadurch um etwa 1300 Euro im Jahr benachteiligt. Nach früheren Angaben des Bundesfinanzministeriums kostet den Staat die Ausweitung des Ehegatten-Splittings jährlich etwa 30 Millionen Euro. Dabei war man allerdings von insgesamt 23 000 eingetragenen Lebenspartnerschaften ausgegangen. Nach den neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden gibt es aber inzwischen knapp 34 000 Homo-Ehen. Damit würden sich die staatlichen Steuerausfälle in Zukunft auf bis zu 44 Millionen Euro summieren. Obendrein können Lebenspartnerschaften auf Nachzahlungen hoffen, denn das Gericht hat eine rückwirkende Änderung der entsprechenden Gesetze zum 1. August 2001 verlangt. Zu diesem Zeitpunkt war das rot-grüne Gesetz über eingetragene Lebenspartnerschaften in Kraft getreten.

Nach Einschätzung von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kann den Vorgaben aus Karlsruhe noch bis zur Bundestagswahl durch ein "schlichtes Gesetz" entsprochen werden. Die gleiche Auffassung war gestern auch aus dem Bundesfinanzministerium zu hören. Sein Hausherr, Kassenwart Wolfgang Schäuble (CDU), hatte sich erst kürzlich für ein Familiensplitting ausgesprochen, das Kinder besser steuerlich berücksichtigt, egal, ob sie bei homosexuellen oder heterosexuellen Paaren leben. Dagegen gab es in der Union gestern auch Stimmen, die aus dem Karlsruher Urteil eine Stärkung des Ehegatten-Splittings herauslasen.

Dem widersprach der Grüne Volker Beck: Karlsruhe habe nur bestimmt, dass zwischen Ehen und Lebenspartnerschaften im Einkommensteuerrecht nicht mehr unterschieden werden dürfe. Die Ausgestaltung des Steuersystems selbst bleibe der Politik überlassen. "Gegenwärtig ist es so, dass eine Lebenspartnerschaft mit vier Kindern den Steuervorteil von Frau Merkel und ihrem Ehemann Herrn Sauer finanziert. Das ist absurd", meinte Beck, der Glückliche.

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StichwortDurch das Ehegatten-Splitting wird die Steuerbelastung von Eheleuten und jetzt auch von Homo-Paaren gesenkt. Dabei wird das gemeinsame zu versteuernde Einkommen beider Eheleute halbiert ("gesplittet") und darauf der Steuertarif angelegt. Die so berechnete Steuerschuld wird anschließend verdoppelt. Vor allem wenn ein Partner deutlich mehr verdient oder Alleinverdiener ist, ergibt sich ein erheblicher Steuervorteil. Den Staat kostete das zuletzt 15,5 Milliarden Euro pro Jahr. Verdienen beide Partner gleich viel, haben sie vom Splitting nichts. dpa

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