„Ein Verfall staatlicher Autorität“

Für die Polizei sind sie ein großes Ärgernis: Notrufe, die keine sind. 110 wird immer häufiger missbraucht, allein in Berlin war nach neuesten Zahlen jeder Dritte der 1,3 Millionen Notrufe im vergangenen Jahr Nonsens. Im Gespräch mit SZ-Korrespondent Hagen Strauß fordert der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, deshalb jetzt für die Übeltäter verpflichtende Kurse zur Bedeutung eines Notrufs.



Herr Wendt, ist der Missbrauch des Notrufs mittlerweile schon Volkssport?

Wendt: Vielen Leuten fehlt das Bewusstsein, dass die Notrufnummer 110 auch nur für den Notruf da ist. Manche nutzen sie, weil sie Auskünfte erhalten oder einfach nur Banalitäten schildern wollen. Diese Menschen müssen wissen, dass sie damit möglicherweise andere Leute in Gefahr bringen, die wirklich in höchster Not anrufen. Deswegen müssen wir den Wert von 110 und 112 durch mehr Öffentlichkeitsarbeit wieder deutlicher machen.

Allerdings gibt es ja noch ein anderes Phänomen - der Missbrauch durch diejenigen, die die Polizei ganz bewusst ärgern wollen.

Wendt: Da hilft nur die klare Sprache des Rechtsstaates. Schon jetzt gibt es für solche Fälle gesetzliche Regeln. Eine satte Geldstrafe muss für jene fällig sein, die sich aus einem Notruf einen Spaß machen. Denn das kann Leben gefährden.

Aber die Strafandrohungen wirken kaum, wie die steigenden Zahlen zeigen. Kann man sonst noch etwas tun?

Wendt: Offensichtlich sind die Strafandrohungen zu niedrig. Und es ist den Leuten wohl nicht klar, was sie da machen. Wir wissen allerdings auch, dass dies häufig Menschen sind, bei denen nicht viel zu holen ist. Daher halte ich auch eine verpflichtende Teilnahme an Aufklärungsveranstaltungen für einen richtigen Weg.



Polizisten, Feuerwehrmänner, selbst Sanitäter klagen darüber, dass immer weniger Menschen Respekt vor ihnen haben. Woran liegt das?

Wendt: Das erleben nicht nur Polizisten oder Sanitäter , das erlebt der Staat insgesamt. Wir reden von einem Verfall staatlicher Autorität. Das bekommen die Lehrer zu spüren, die Gerichte, selbst die Mitarbeiter der Jobcenter. Es ist dringend notwendig, dass der Staat seine Autorität wieder zurückerlangt. Den Menschen muss wieder klar werden, dass er auch in ihre Grundrechte eingreifen darf. Öffentliche Beschäftigte sind zudem nicht die Fußabtreter für schlechte Laune. Auch können diese Menschen nichts für politische Entscheidungen.

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