Die Deutschen stehen auf die 80er

Berlin · Föhnwellen, Neue Deutsche Welle und „Wetten, dass . . ?“-Gucken im Kapuzenbademantel: Die 80er-Jahre haben für viele Deutsche Kult-Charakter. Doch die Aufarbeitung des Jahrzehnts hat sich gewandelt.

 Will nach Hause telefonieren: E.T. – der Außerirdische.

Will nach Hause telefonieren: E.T. – der Außerirdische.

 TV-Seifenoper um Geld, Macht und Öl: Dallas.

TV-Seifenoper um Geld, Macht und Öl: Dallas.

 Pop-Ikone der Neuen Deutschen Welle: Nena.

Pop-Ikone der Neuen Deutschen Welle: Nena.

 Grand-Prix-Siegerin aus dem Saarland: Sängerin Nicole.

Grand-Prix-Siegerin aus dem Saarland: Sängerin Nicole.

 Deutsches Tennis-Traumpaar: Steffi Graf und Boris Becker.

Deutsches Tennis-Traumpaar: Steffi Graf und Boris Becker.

 Mit der „Hand Gottes“: Diego Maradona bei der WM 1986.

Mit der „Hand Gottes“: Diego Maradona bei der WM 1986.

 Sternstunde: Jubelnde Menschen auf der Berliner Mauer.

Sternstunde: Jubelnde Menschen auf der Berliner Mauer.

 Katastrophe: der zerstörte Reaktor von Tschernobyl. Fotos: dpa

Katastrophe: der zerstörte Reaktor von Tschernobyl. Fotos: dpa

Egal, ob Schmidt oder Kohl - die Bundeskanzler trugen immer den Vornamen Helmut. Und viele große Popstars hießen kurz und knapp - wie Nena, Prince und Falco . Die 80er Jahre, in denen laut Diego Maradona bei einer Fußball-WM die "Hand Gottes" im Spiel war und dank Boris Becker und Steffi Graf viele Deutsche den Tennissport für sich entdeckten, könnte man als ein ziemlich kurioses Jahrzehnt erzählen. Doch die Jahre 1980 bis '89 waren auch ernst, etwa mit der Angst vor dem Atomtod, der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, dem Waldsterben oder der damals neuen Seuche Aids. Und sie waren natürlich auch weltbewegend mit dem Mauerfall Ende 1989.

Kurz vor dem Jahreswechsel hat jetzt eine repräsentative Umfrage von YouGov ergeben, dass die Erwachsenen in Deutschland am liebsten in den 80ern leben würden, wenn sie unter allen Nachkriegsjahrzehnten wählen könnten. Rund ein Viertel (23 Prozent) gibt diese Antwort. Es folgen die 70er Jahre (18 Prozent), die 90er und die aktuellen 2010er (jeweils 13). Dann erst kommen die 60er (9), die 2000er (5) sowie die 50er (4). In keinem dieser Jahrzehnte wollen demnach fünf Prozent leben, zehn Prozent antworteten mit "Weiß nicht".

Kulturell und medial waren die 80er das letzte Jahrzehnt ohne die heute so wichtigen Massenphänomene Handy und Internet. Sie waren geprägt von Kinoerfolgen wie "E.T. - Der Außerirdische" oder "Dirty Dancing". Im Fernsehen feierten US-Serien wie "Dallas" und "Denver-Clan" Erfolge, auch der raubeinige "Tatort"-Kommissar Schimanski und die Ärzteserie "Die Schwarzwaldklinik" waren beliebt. In der Bundesrepublik kam damals auch erst das Privatfernsehen auf.

Ohrwürmer waren "99 Luftballons" von Nena und viele andere Hits der Neuen Deutschen Welle. Nicole gewann 1982 erstmals für die Bundesrepublik den Grand Prix mit "Ein bisschen Frieden", zudem traf 1984 der Endzeit-Song "Forever Young" von Alphaville den Zeitgeist. Weltweite Popstars waren Michael Jackson und auch damals schon Madonna.

Lange Zeit hatten die 80er Jahre den Ruf, in der Bundesrepublik eher eine bleierne Zeit unter Dauerkanzler Helmut Kohl (CDU ) gewesen zu sein - im Gegensatz zum Nach-68er-Jahrzehnt der 70er, die demnach von Aufbruch und gesellschaftlichen Experimenten gekennzeichnet waren, aber auch vom RAF-Terror und der sogenannten Ölkrise. In dem Bestseller "Generation Golf" aus dem Jahr 2000 beschrieb der Autor Florian Illies die 80er Jahre nostalgisch als eine heile Kinderwelt, in der Markenklamotten wichtig waren und das "Wetten, dass . . ?"-Gucken im Kapuzenbademantel eine ultimative TV-Erfahrung.

Inzwischen werden die 80er Jahre aber weniger romantisiert aufgearbeitet. In der von der Kritik gefeierten RTL-Reihe "Deutschland 83" mit Jonas Nay als DDR-Spion im Westen sind sie ein Jahrzehnt am Abgrund zum Dritten Weltkrieg. Also gar kein Kinderkram. Befragt, in welchem Jahrzehnt seit 1950 die Menschen wohl die schönste Jugend hatten, kommen übrigens die 80er Jahre nicht auf den ersten Platz. Es sind stattdessen die 70er - das sagen 25 Prozent. Erst dann folgen die 80er mit 22 Prozent.

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