„Der Kampf muss weitergehen!“

Frankfurt · Zweieinhalb Jahre nach dem Freispruch im Vergewaltigungs-Verfahren verliert Jörg Kachelmann einen riskanten Prozess. Längst geht es um mehr als um 13 000 Euro Schadenersatz. Hat der Moderator zu hoch gepokert?

. Jörg Kachelmann hat auf Risiko gespielt und verloren. Zweieinhalb Jahre nach dem Freispruch vom Vorwurf der Vergewaltigung ist der Fernsehmoderator vor dem Landgericht Frankfurt mit seiner Klage auf Schadenersatz gescheitert. Die Zivilkammer habe "nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen können", dass die Ex-Geliebte Claudia D. ihn wissentlich falsch beschuldigt habe, hieß es zur Begründung.

Rund 13 000 Euro an Gutachterkosten hatte Kachelmann von seiner Ex-Geliebten verlangt - als Ersatz für den Schaden, der ihm durch ihre Vergewaltigungsanzeige entstanden sei. Im Strafprozess hatte ihn das Landgericht Mannheim 2011 nach dem Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" freigesprochen. Kachelmann selbst sprach vom "miesesten Freispruch aller Zeiten". Der Medienprofi nahm den Kampf um die mediale Deutungshoheit auf: Interviews, Buch, Buchmessenauftritt, Talkshows. Ob er die Öffentlichkeit überzeugt hat, ist schwer zu sagen - aber erreicht hat er sie allemal.

Zivilgerichte sind viel schwieriger zu überzeugen. Das liegt nicht nur an den Richtern, sondern an den Beweislastregeln: Für seine Klage auf Schadenersatz musste Kachelmann darlegen, dass Claudia D. ihn falsch beschuldigt hatte. Es musste also etwas beweisen, was das Gericht nach einem quälend langen Prozess nicht erkennen wollte. Zwar sind die Zivilrichter nicht an die Feststellungen ihrer Kollegen gebunden - aber, wie der Vorsitzende Richter Gerold Kurz gestern sagte, "nicht so frei, dass wir ohne triftigen Grund diese Erkenntnisse unter den Tisch fallen lassen können". Um die Frankfurter Richter davon zu überzeugen, sich gegen die Kollegen aus Mannheim zu stellen, hätte Kachelmann also schon etwas Besonderes aus dem Hut zaubern müssen. Ob er überhaupt etwas aus dem Hut gezaubert hat, bleibt unklar. Das Gericht habe beide Parteien angehört, so der Vorsitzende Richter. "Die Angaben standen sich im entscheidenden Kernbereich vollkommen unvereinbar gegenüber." Die Zivilkammer habe sich auf die selben Gutachten gestützt wie das Strafgericht. Auf dieser Grundlage sei es "nicht in der Lage, ein besseres Ergebnis erzielen zu können".

Kachelmanns Anwältin kritisierte, das Gericht habe "den leichten Weg gewählt". Es gebe neue Gutachten, die seien jedoch nicht berücksichtigt worden. Claudia D.s Anwalt weiß davon nichts: "Wir haben keine Kenntnis von diesen angebotenen Beweisen." Wenn es neue Gutachten gab, bliebe jedenfalls die Frage, warum diese nicht gleich bei Erhebung der Klage präsentiert wurden. Haben Kachelmann und seine Anwälte bei einem ohnehin riskanten Prozess zu hoch gepokert? Und warum tut Kachelmann sich das überhaupt an? Hierauf antwortet seine Anwältin Ann Marie Welkert: Kachelmann "wollte und will nichts anderes als eine Bestätigung durch ein deutsches Gericht, dass er zu Unrecht eines schlimmen Verbrechens bezichtigt wurde". Welker kündigte Berufung an. Kachelmann gibt sich kämpferisch: "¡No pasarán!" ("Sie werden nicht durchkommen") twitterte er einen Schlachtruf der republikanischen Truppen im Spanischen Bürgerkrieg. Und Claudia D. erklärte über ihren Anwalt: Die Entscheidung sei "leider auch nur ein verschwindend kleiner Sieg für alle gedemütigten, diffamierten, missbrauchten und misshandelten Frauen in diesem Land! Der Kampf muss weitergehen!"

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