Auf dem Weg nach "Müllorca"

Palma/Madrid. Europas beliebteste Urlaubsinsel könnte bald einen neuen Namen haben: "Müllorca" statt Mallorca. Denn wenn die konservative Inselregierung ihre Pläne vorantreibt, wird das Ferienparadies bald hunderttausende Tonnen Abfall aus dem Ausland importieren

 Die Verbrennungsanlage Son Reus sorgt für Ärger. Foto: dpa

Die Verbrennungsanlage Son Reus sorgt für Ärger. Foto: dpa

Palma/Madrid. Europas beliebteste Urlaubsinsel könnte bald einen neuen Namen haben: "Müllorca" statt Mallorca. Denn wenn die konservative Inselregierung ihre Pläne vorantreibt, wird das Ferienparadies bald hunderttausende Tonnen Abfall aus dem Ausland importieren. "Wir wollen nicht der Misthaufen Europas werden", stand auf Protestschildern in der Hauptstadt Palma, als dieser Tage per Fähre die ersten Lastwagen mit Importmüll eintrafen und dann zur Verbrennungsanlage Son Reus im Norden Palmas rollten.

Doch es sieht nicht so aus, als ob die verantwortlichen Inselpolitiker einlenken wollten. Anwohner der Müllöfen, Umweltschützer und Hoteliers laufen Sturm dagegen, dass die Insel zur internationalen Müllkippe werden soll. Die Tourismuswirtschaft fürchtet vor allem, dass das Image in Mitleidenschaft gezogen wird und dann die Urlauber wegbleiben.

Bisher sei Mallorca mit etwa neun Millionen Touristen pro Jahr Europas wichtigstes Reiseziel. Doch mit dem Abfallimport im großen Stil werde sich die Insel "in eine Supermacht des Mülltourismus verwandeln", befürchtet Magdalena Palou, Sprecherin der linken Opposition im Inselparlament. In der Umgebung der Öfen gebe es jetzt schon eine erhöhte Schadstoffbelastung. Das werde wohl künftig noch schlimmer. "Die Euroscheiße ist schon da", prangte auf einem Transparent, das Demonstranten vor der Müllverbrennungsanlage in die Höhe hielten.

Mallorcas Umweltministerin Catalina Soler und die private Betreibergesellschaft Tirme des Müllofens teilen diese Bedenken nicht. Sie nennen die Mülleinfuhr "Brennstoff-Import", denn es werde mit der Verbrennungsanlage Strom produziert. Umweltrisiken gebe es nicht, auch andere Länder wie etwa Deutschland verdienten Geld mit Abfallimport.

Margalida Ramis vom Umweltverband GOB sprach derweil von "Lügen und Betrug". Mit der Müllverbrennung werde "die öffentliche Gesundheit aufs Spiel gesetzt". Rund 100 000 Tonnen Müll sollen im Laufe des Jahres nach Mallorca verschifft werden. Im nächsten Jahr könnten es doppelt so viele werden. Es laufen auch Verhandlungen mit Städten, die nicht wissen, wohin mit ihrem Müll.

Hintergrund dieser umstrittenen Müllgeschäfte ist, dass die Verbrennungsanlage San Reus nicht ausgelastet ist und finanzielle Verluste macht. Dabei war die Anlage erst in den vergangenen Jahren erweitert worden, weil die Touristeninsel im eigenen Müll zu ertrinken drohte. An kaum einem anderen Ort in Europa wurde damals so viel Abfall pro Einwohner produziert.

 Die Verbrennungsanlage Son Reus sorgt für Ärger. Foto: dpa

Die Verbrennungsanlage Son Reus sorgt für Ärger. Foto: dpa

Doch als die neuen Verbrennungsöfen fertig waren, brach mit Spaniens Wirtschaftskrise auch die Müllkrise aus: Es wurde weniger gebaut, weniger gekauft, der Tourismus wuchs nicht mehr, es wurde weniger weggeworfen. Statt der kalkulierten 700 000 Tonnen Müll sind es nur noch etwa 480 000 Tonnen Abfall im Jahr. Das ist zwar umweltpolitisch gesehen eine ziemlich gute Nachricht. Doch aus der Sicht der Tirme-Müllmanager eine Katastrophe und zu wenig, um mit den drei hochmodernen Müllöfen Geld zu verdienen.

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