Anti-Aids-Pille ist kein Wundermittel

Berlin. Es wäre so schön und der Erfinder bekäme wohl sofort den Nobelpreis für Medizin: eine Pille, die sicher vor der Infektion mit dem Aidserreger HIV schützt. Damit ließe sich dem millionenfachen Tod durch einen der schlimmsten Seuchenzüge Einhalt gebieten. Ein solches Präparat gibt es aber nicht, und es zeichnet sich auch nicht ab

Berlin. Es wäre so schön und der Erfinder bekäme wohl sofort den Nobelpreis für Medizin: eine Pille, die sicher vor der Infektion mit dem Aidserreger HIV schützt. Damit ließe sich dem millionenfachen Tod durch einen der schlimmsten Seuchenzüge Einhalt gebieten. Ein solches Präparat gibt es aber nicht, und es zeichnet sich auch nicht ab. In den USA wurde nun eine Kombination bekannter Wirkstoffe gegen das Aidsvirus mit dem Namen "Truvada" auch zur vorbeugenden Behandlung zugelassen. Mediziner sprechen von einer Präexpositions-Prophylaxe (PrEP).Der Gedanke: Menschen in Risikogruppen, die nicht mit HIV infiziert sind, nehmen die Pillen regelmäßig. Deren Wirkstoffe breiten sich im Körper aus. Falls das Virus dann - etwa beim ungeschützten Sex oder durch eine verseuchte Nadel - in den Körper kommt, kann es die Zellen schlechter infizieren und sich schwerer in ihnen vermehren. Auf diese Weise wird das Risiko, sich zu infizieren, verringert. Aber: Es besteht fort. "Truvada" ist in den USA bereits seit 2004 zugelassen - zur Behandlung von HIV-infizierten Erwachsenen und Kindern, die älter als zwölf Jahre sind. "Truvada" ist auch in Deutschland zugelassen, nicht aber zur Vorbeugung. 30 Tabletten kosten laut Apothekenpreisliste 819,01 Euro.

Laut einer Studie an der Universität Washington verringerte das Medikament das Risiko einer Infektion um 75 Prozent. Die einen sehen diese Ergebnisse als Erfolg. Kritiker aber verweisen auf jene Neuinfektionen, die sich durch "die Pille davor" nicht verhindern ließen. Keiner der Beteiligten weiß beim Sex, ob er bei diesem Roulette zu den Gewinnern oder den Verlieren zählen wird. Die Befürworter rechnen mit Blick auf die Statistik hoch, dass sich durch die Pillen viele neue Infektionen und letztlich Kosten verhindern lassen.

Kritiker warnen vor der möglichen Sorglosigkeit, die das Medikament mit sich bringen könnte. Das US-Zentrum für Infektionskontrolle (CDC) weist darauf hin, dass der vorbeugende Schutz nicht für jedermann, sondern nur für eine kleine Hochrisiko-Gruppe geeignet ist. Eine Präexpositions-Prophylaxe, so das CDC weiter, muss zuverlässig eingenommen werden, damit stets genügend Moleküle gegen HIV kursieren.

"PrEP sollte nicht als alleinige Lösung angesehen werden, sondern als Teil einer umfassenden Vorbeugung", schreibt das US-Zentrum für Infektionskontrolle. Dazu gehörten Tests, die Aufklärung über Risiken, die Diagnose und Behandlung sexueller Krankheiten sowie der Zugang zu Kondomen. Diese Optionen stehen in vielen armen Ländern, die noch immer und auch künftig die Hauptlast der HIV-Krise tragen, nicht zuverlässig zur Verfügung. In den reichen Ländern sei das eher der Fall.

Das Aidsprogramm UNAIDS der UN begrüßte die Zulassung in einer Mitteilung. Aber es ergänzte: "Keine einzelne Maßnahme schützt vollständig vor der HIV-Infektion, daher empfiehlt UNAIDS mit Nachdruck eine Kombination aus verschiedenen Präventionen, darunter Kondome für Menschen in Risikogruppen."

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