Ort der Götter und der Macht

Berlin. Warmer, rauer Stein. Hohe Stufen, die es hinaufzuklettern gilt, plötzlich fasst die Hand in ein Kaugummi, man unterbricht den mühsamen Aufstieg für einen Moment

Berlin. Warmer, rauer Stein. Hohe Stufen, die es hinaufzuklettern gilt, plötzlich fasst die Hand in ein Kaugummi, man unterbricht den mühsamen Aufstieg für einen Moment. Doch die elterliche Hand ist nicht weit und man erreicht schließlich doch die Spitze, die Plattform einer der Pyramiden oder das Eingangsportal eines Tempels, die Mexiko so zahlreich aus der Maya- oder Aztekenzeit aufweisen kann. Diese Erinnerungen an die eigene Kindheit in dem Land stellen sich unwillkürlich ein, beim Betreten der Ausstellung im Berliner Gropius-Bau zu einer der bedeutendsten archäologischen Stätten Mittelamerikas: Teotihuacan, 50 Kilometer nordöstlich von Mexico City.

Es geht um urmexikanische Geschichte, seit 1987 zählt Teotihuacan zum Weltkulturerbe der Unesco. Zwischen 200 und 650 n. Chr., also rund 1000 Jahre vor den Azteken, war der Ort eine kulturelle und wirtschaftliche Großmacht. Die Handelsbeziehungen reichten weit in den mittelamerikanischen Kulturraum. Basis des Reichtums war das Handelsmonopol für Obsidian, ein schwarzes, vulkanisches Steinglas. Verarbeitet zu Messern und anderem, gehörte es neben dekorativer Keramik zu den wichtigsten Exportgütern der Metropole. Die 450 Exponate - von kleinsten Votivfigürchen und rituellen Gefäßen über Schmuck (Perlen, Ketten, Masken) bis zu zeremoniellem Werkzeug, Fresken oder Fragmenten von Pyramiden und anderer Gebäude - kommen aus dem Anthropologischen Nationalmuseum, aus Teotihuacan selbst, aber auch aus dem Süden Mexikos, der Halbinsel Yucatán, Xalapa. Auch dies legt Zeugnis von der weiten Verbreitung der Kunstgegenstände Teotihuacans ab.

Die Schau ist in acht Themenkomplexe gegliedert, die sich etwa "Architektur und Stadtentwicklung", "Politik, Handel, Militär", "Götter und Glaube" oder der "Handwerkskunst in Teotihuacan" sowie dessen Niedergang widmen. Teotihuacan zählt zu den größten Städten, die in Mittelamerika gebaut wurden. Sie lässt eine einheitliche, akkurate Planung erkennen: eine 50 Meter breite Prozessionsstraße, die "Straße der Toten", bildet die Zentralachse des schachbrettartig angelegten Areals. Sie verbindet die beiden mächtigen Wahrzeichen miteinander: die Sonnen- und die Mondpyramide. Zahlreiche kleinere Tempel- und Gebäudekomplexe flankieren die Monumentalbauten. Farbenprächtige Malereien und Einlegearbeiten zieren Mauern, Friese und Portale. Zeugnisse zuhauf speisen diese ebenso opulente wie beeindruckende Schau.

Bis 10. Oktober im Berliner Gropius-Bau. Eine Parallelausstellung zeigt gleichzeitig bedeutende mexikanische Kunst.

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