Oft Niedriglöhne, selten Vollzeit

Berlin · Berlin. Frauen verdienen nicht nur deutlich weniger als Männer in vergleichbaren Jobs. Sie sind auch überproportional stark im Niedriglohnbereich tätig. Wie aus einer unserer Zeitung vorliegenden Übersicht der Bundesagentur für Arbeit hervorgeht, hat 2010 jede dritte in Vollzeit beschäftigte Frau (34 Prozent) weniger als 1802 Euro brutto im Monat verdient

Berlin. Frauen verdienen nicht nur deutlich weniger als Männer in vergleichbaren Jobs. Sie sind auch überproportional stark im Niedriglohnbereich tätig. Wie aus einer unserer Zeitung vorliegenden Übersicht der Bundesagentur für Arbeit hervorgeht, hat 2010 jede dritte in Vollzeit beschäftigte Frau (34 Prozent) weniger als 1802 Euro brutto im Monat verdient. Das ist die Summe, die von der Industriestaatenorganisation OECD in jenem Jahr als Niedriglohnschwelle definiert wurde. Von den Männern war es nur jeder sechste. Dort lag der Anteil bei 16 Prozent.In absoluten Zahlen waren fast 2,6 Millionen Frauen mit Vollzeitjob Geringverdiener. Von den männlichen Vollzeitbeschäftigten waren es 2,1 Millionen. Besonders prekär war die Lage im Gastgewerbe. Rund vier Fünftel (fast 79 Prozent) der dort arbeitenden Frauen bekamen 2010 einen Niedriglohn. Heute dürfte es nicht anders sein. In der öffentlichen Verwaltung und bei der Bundeswehr ist die schlechte Bezahlung für Frauen mit 5,1 Prozent am geringsten ausgeprägt.

Das Bundesarbeitsministerium verweist indes auf eine deutlich gestiegene Erwerbsbeteiligung der Frauen. Demnach gehen derzeit rund 13 Millionen Frauen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Das sind rund 600 000 mehr als im Jahr 2001. Doch beruht der Zuwachs ausschließlich auf Teilzeitjobs. Die Zahl der Frauen ist in diesem Bereich in den letzten zehn Jahren um knapp 1,2 Millionen auf 4,7 Millionen gestiegen. Dagegen sank die Zahl der weiblichen Vollzeitarbeiter im gleichen Zeitraum um mehr als eine halbe Million auf 8,3 Millionen. Auf eine entsprechende Anfrage der Linksfraktion räumte das Ministerium ein, dass Frauen "in zukunftsorientierten Berufen und in Führungspositionen weiterhin unterrepräsentiert" seien. Entsprechend deutliche Unterschiede bestünden deshalb auch bei den "Einkommensperspektiven".

Die OECD teilte kürzlich mit, dass Frauen im Ganztagsjob in Deutschland durchschnittlich 22 Prozent weniger verdienen als Männer. Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums liegt das Minus in den alten Bundesländern sogar bei 25 Prozent. In den neuen Ländern sind es "nur" sechs Prozent weniger, was offenbar damit zu tun hat, dass ostdeutsche Frauen häufiger in "Männerberufen" arbeiten als Frauen im Westen. Stellt man die Arbeitseinkommen beider Geschlechter mit gleicher Ausbildung und gleicher beruflicher Tätigkeit in der gleichen Wirtschaftsbranche gegenüber, dann liegt der Verdienstunterschied bundesweit aber immer noch bei acht Prozent.

Die Arbeitsmarktexpertin der Grünen, Brigitte Pothmer, verwies darauf, dass 80 Prozent der Frauen im Niedriglohnsektor über eine ordentliche Berufsausbildung verfügten. "Aber ihre Qualifikationen und Potenziale werden trotz des wachsenden Fachkräftebedarfs vergeudet", kritisierte Pothmer. Die Arbeitsmarktpolitikerin der Linken, Sabine Zimmermann, sagte: "Viele Frauen wollen arbeiten, werden aber in schlecht bezahlte Teilzeitjobs und Niedriglohnarbeit gedrängt".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort