Öl, Kohle und Gas aus Reifen - Dillinger Recycling-Anlage hat Dauerbetriebstest bestanden

Dillingen · Von der ersten Versuchsanlage bis zum fertigen Recycling-Turm war es ein langer Weg. Pascal Klein, Chef der Dillinger Firma Pyrum Innovations, ist überzeugt, dass jetzt der Durchbruch geschafft ist.

 Pascal Klein, Chef der Dillinger Firma Pyrum Innovations, vor dem selbst entwickelten Recycling-Turm.

Pascal Klein, Chef der Dillinger Firma Pyrum Innovations, vor dem selbst entwickelten Recycling-Turm.

Foto: Rolf Ruppenthal

Die Widrigkeiten wollten einfach nicht aufhören, doch jetzt scheint der Durchbruch endlich geschafft. "Zum Schluss waren es die Blitzableiter, die die Abnahme verzögerten", erinnert sich Pascal Klein, Geschäftsführer des Anlagenbauers Pyrum Innovations in Dillingen . Inzwischen ragen die dünnen Stangen, die Gewitterschäden verhindern sollen, einige Meter in den Himmel.

Klein und sein Partner Julien Dossmann sehen jetzt die besten Chancen, dass die lang ersehnte Vermarktung ihres Recycling-Turms losgehen kann, in dem Reifengummi und Kunststoff-Abfälle zu Öl, Kokskohle und Gas verwandelt werden. Seit Beginn des Jahres wurde die Produktion hoch- und systematisch wieder runtergefahren, um noch die letzten Kinderkrankheiten zu entdecken und zu beseitigen. Die Zyklen, in denen die Anlage zuverlässig arbeitete, wurden von Monat zu Monat länger. Seit Mai läuft der Prozess stabil.

Das Pyrum-Verfahren "stößt seit Jahren weltweit auf großes Interesse", sagt der Geschäftsführer. Denn der Großteil der Altreifen und Kunststoff-Abfälle würden derzeit schlicht verbrannt (siehe Hintergrund). Mehr als 300 Anfragen zum Bau eines eigenen Turms seien in den vergangenen Jahren eingegangen. Doch die Interessenten seien vorsichtig gewesen. "Bringt die Anlage zuverlässig zum Laufen, dann reden wir weiter", sei die stereotype Antwort gewesen.

Mittlerweile läuft die Anlage. Nach einer Mailing-Aktion im Mai hätten zwei Drittel der Angeschriebenen erneut konkretes Interesse bekundet. In den vergangenen Monaten haben Juristen den 24-seitigen Kaufvertrag (plus Anhang) aufgesetzt, so dass Pyrum die Umwandlungs-Anlagen ab Herbst verkaufen kann. Einig bis zur Unterschrift ist sich Pyrum inzwischen mit drei Betreibern. Deren Recycling-Türme sollen in Kaiserslautern, Berlin und in der elsässischen Grenzgemeinde Lauterbourg hochgezogen werden. Der Verkaufspreis wird mit jeweils 8,5 Millionen Euro kalkuliert.

Von der Theorie bis zur Umsetzung und jetzt zur Serienreife war es ein weiter Weg. Das Thermolyse-Verfahren, das der Ingenieur Hans-Peter Schulz entwickelt hat, erprobte Pyrum erstmals ab Ende 2008 in einer Versuchsanlage. Unter Ausschluss von Sauerstoff werden der Reifengummi und die Kunststoffe in einer Kammer auf rund 700 Grad erhitzt. "Dann köchelt die Masse vor sich hin und wird in ihre Bestandteile zerlegt", erläutert Pascal Klein. Ein großer Teil davon (62 Prozent) wird zu Dampf. In fester Form bleibt Kohlenstoff übrig, der mit Metalloxiden (Zink und Eisen) angereichert ist. Dieser bildet rund 38 Prozent der Gesamtmasse. Er kann unter anderen für die Herstellung von Kohlefaser-Verbundstoffen oder als Aktivkohle verwendet werden, die in der Chemie, Medizin, Wasser- und Abwasserbehandlung eingesetzt wird. Der meiste Dampf kondensiert in der Abkühlphase zu Öl, das an Raffinerien geliefert wird. Der Teil des Dampfes, der sich nicht mehr verflüssigt, bleibt als energiereiches Gas zurück. Mit ihm werden Strom und Wärme in einem Blockheizkraftwerk erzeugt, das neben dem Recycling-Turm steht. "Damit haben wir auch unsere eigene Energieversorgung", sagt Klein.

Wenn der Durchbruch geschafft ist, können sich auch die Investoren entspannen. Das meiste Geld - rund sechs Millionen Euro - steuerten vermögende Privatleute aus Deutschland, Luxemburg und Frankreich bei, "die trotz unserer Jugend an unsere Idee geglaubt haben", sagt Klein. Er ist 29 und Partner Dossmann 30 Jahre alt. Eine Million Euro stammt aus EU-Mitteln und ergänzenden Landeszuschüssen. Ferner verzichteten die Firmen, die am Bau des Recycling-Turms beteiligt waren, auf ihre Bezahlung. Im Gegenzug haben sie sich das Recht gesichert, beim Bau der nächsten Thermolyse-Türme dabei zu sein.

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Bei Autoreifen sind Gummi und Textilien neben dem Stahl die Hauptbestandteile. Der Stahl wird verschrottet und eingeschmolzen, die beiden anderen Bestandteile meist in Zementwerken verbrannt. Einiges davon wird auch ins Ausland exportiert und ein geringer Teil zu Asphalt und Bitumen weiterverarbeitet. In Deutschland fallen jährlich rund 650 000 Tonnen Altreifen an. Bei Kunststoffen gibt es in Deutschland knapp 5,7 Millionen Tonnen Abfall pro Jahr. 57 Prozent davon werden laut Umweltbundesamt verbrannt - und zwar in Müll- und Zementwerken. Der Rest wird "stofflich wiederverwertet". Voraussetzung hierbei ist, dass die einzelnen Kunststoff-Fraktionen sortenrein sind, was selten möglich ist. low

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