Ökostrom-Reform im Protesthagel

Berlin · Die Tage der Entscheidung über Gabriels Reform des Ökostrom-Gesetzes stehen an – und die Gegner torpedieren das Projekt von allen Seiten. Ob heute der Energiegipfel im Kanzleramt eine Lösung bringt?

Die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) soll so etwas wie das Gesellenstück von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) werden. Doch zu Beginn der entscheidenden Beratungen über den Weg in der Energiewende hagelt es Proteste von allen Seiten.

Das Vorhaben: Bereits im Januar hatte das Kabinett Eckpunkte für die EEG-Reform beschlossen. Obwohl die erneuerbaren Energien weiter stark ausgebaut werden sollen, von derzeit rund 25 Prozent auf 40 bis 45 Prozent Anteil an der Stromversorgung bis 2025, soll ein Anstieg der Ökostrom-Umlage deutlich gebremst werden. Schon jetzt schießen die Stromverbraucher 6,24 Cent je Kilowattstunde für die Erneuerbaren zu. Ohne Bremse würden es bald acht Cent sein. Doch es gibt viele Lobbyinteressen. Jede Stellschraube, die hier gedreht wird, löst dort Proteste aus. Gestern protestierten alle Verbände der erneuerbaren Energien und präsentierten ein neues Argument für einen zügigeren Ausbau der Ökostrom-Erzeugung: die Unabhängigkeit von russischen Gasimporten. Heute Abend treffen sich die Ministerpräsidenten der Länder mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Gabriel. Denn im Bundesrat gibt es massive Widerstände. Und dann ist da noch die EU, die nächste Woche darüber entscheidet, ob Deutschland seine Industrien von Kosten entlasten darf. Am 9. April soll die EEG-Novelle im Kabinett beschlossen werden.

Windenergie: Gabriel will einen "atmenden Deckel" für Windräder an Land einbauen. Das bedeutet: Steigt der Zubau neuer Anlagen über 2500 Megawatt pro Jahr, sinkt die Förderung automatisch. Für Windkraft auf See sieht Gabriel eine Begrenzung des Zubaus auf 6500 Megawatt Leistung bis 2020 vor. Die Industrie möchte gern mehr; auch die Küstenländer wollen ihre Häfen und Werften durch Bau und Transport der Anlagen auslasten. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) sprach giftig von "Planwirtschaft". Die Windbranche beklagt, dass ausgerechnet die preisgünstigste Erzeugungsform abgeregelt werden soll.

Solarstrom: Jährlich 2500 Megawatt sollen hinzukommen, dann greift auch hier der "atmende Deckel". Die Solarwirtschaft beschwert sich vor allem über geplante Verschlechterungen für Eigenverbraucher.

Bio-Energie: Hier will Gabriel nur jährlich 100 Megawatt an neuen Anlagen gestatten, was Proteste Bayerns (CSU-regiert) und Thüringens (CDU/SPD-Koalition) ausgelöst hat. Beide setzen auf Biogas als heimische Stromquelle und wollen so ihre Landwirtschaft schützen und neue Strom-Fernleitungen durch ihr Gebiet überflüssig machen. Die Branche hebt hervor, dass Biogas grundlastfähig ist, also zur Stromsicherheit beiträgt. Auch könne es russisches Erdgas ersetzen und den Betrieb von Kohlekraftwerken überflüssig machen. Doch hat zum Beispiel Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) Widerstand gegen eine Erhöhung der Biogasmengen angekündigt, jedenfalls wenn für die Anlagen nicht Abfälle genommen werden, sondern Mais aus Monokulturen.

Ausnahmen für die Industrie: Hier ist es für Gabriel am verzwicktesten. So verlangt etwa Nordrhein-Westfalen, dass es weitgehend bei den Ausnahmen bleibt. Verkehrs- und Umweltpolitiker konnten schon durchsetzen, dass die Bahn auf der Liste der Unternehmen bleibt, die von den Öko-Umlagen befreit sind. Auf der anderen Seite sieht die EU in den Befreiungen, die bereits einen Wert von fünf Milliarden Euro im Jahr erreichen, eine verbotene Subvention. Sicher ist, dass Gabriel die Zahl der Industrieausnahmen verringern muss. Die Frage ist nur, um wie viel. Was die Industrie nicht zahlt, belastet die normalen Stromkunden bei der Öko-Umlage umso mehr.

Eigenverbrauch: Viele Investoren haben Anlagen errichtet, um sich mit Ökostrom selbst zu versorgen. Künftig sollen sie sich alle ebenfalls an der EEG-Umlage beteiligen. Nur die Besitzer von Altanlagen nicht. Nach Protesten aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sowie aus der Unions-Bundestagsfraktion erklärte sich Gabriel bereit, zugunsten der Industrie nachzubessern. Dass dann nur noch Kleinerzeuger, etwa Hausbesitzer, für den Eigenverbrauch Öko-Umlage zahlen, hat wiederum die Verbraucherzentralen auf den Plan gerufen.

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