Ökostrom-Rabatte im Visier der EU

Brüssel/Berlin · Die EU-Kommission drängt auf eine grundsätzliche Reform der Ökostrom-Förderung. Die umstrittenen Rabatte für die Industrie bei der Ökostrom-Umlage müssen wohl drastisch gekürzt werden.

Die deutsche Industrie muss eine deutliche Kürzung ihrer Rabatte bei den Ökostrom-Förderkosten befürchten. Union und SPD haben zwar in den Koalitionsverhandlungen noch keine gemeinsame Linie gefunden, betonen aber wegen Drucks der EU-Kommission die Notwendigkeit einer Reform. Ein Papier aus dem Bundesumweltministerium sieht ein Einsparvolumen von 1,045 Milliarden Euro vor.

Betroffen von einem Aus für Rabatte wären dem Papier zufolge vor allem Branchen, bei denen angezweifelt wird, dass sie diese brauchen: In der Nahrungs- und Getränkeindustrie und bei Futterbetrieben könnten 295 Millionen Euro gespart werden, beim Braun- und Steinkohlebergbau 150 Millionen Euro. Auch die Recycling-, Zement- und Ziegelindustrie finden sich auf der Streichliste. Stahlwerke, Aluhütten und Straßenbahnen sollen hingegen weiterhin kaum Ökostrom-Umlage bezahlen, aber etwas mehr als bisher.

Das Umweltministerium erklärte, Minister Peter Altmaier (CDU), habe das Papier, das auf Fachebene erarbeitet wurde, nicht gebilligt. "Es wird in dieser Form nicht umgesetzt werden." Der amtierende Minister leitet mit Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) die Koalitions-AG Energie. Kraft betonte: "Das Papier spielt überhaupt gar keine Rolle."

Heute reisen Altmaier und Kraft nach Brüssel, um mit EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia zu sprechen. Auch wenn die beiden öffentlich die Rolle des Vorschläge aus dem Ministerium herunterspielen, heißt es in Brüssel, dass sie beim Kommissar vorfühlen wollen, wie der zu dem Reformentwurf aus Berlin steht. Vor allem die Befreiung weiter Teile der Industrie von der Ökostrom-Umlage ist Brüssel ein Dorn im Auge. Aus EU-Sicht handelt es sich dabei um verbotene Beihilfen, die den Wettbewerb verzerren. Und auch die Regelung, derzufolge Anbieter eine für 20 Jahre festgelegte Einspeisevergütung erhalten, will Brüssel nicht länger hinnehmen. Almunia hatte im kleinen Kreis bereits gesagt, dass er schon im Sommer ein formelles Verfahren gegen Deutschland einleiten wollte, darauf aber mit Blick auf den Wahlkampf verzichtet habe. In der Kommission wünscht man sich, dass auch der Maschinenbau von den Rabatten ausgenommen wird. Doch das allein wird nicht reichen. Altmaier und Kraft dürften in Brüssel zu hören bekommen, dass die Kommission die Förderung von Solarstrom und Windkraft grundsätzlich neu regeln will. Die rote Linie dabei heißt: Alle Maßnahmen müssen sich am Markt orientieren. Einspeisevergütungen sollen grundsätzlich untersagt bleiben. Denkbar wären dann höchstens noch minimale Aufschläge auf den gängigen Preis, die aber befristet sein müssen. "Zusatzbeiträge eignen sich besser für Techniken, die sich der Marktreife nähern", heißt es in einem Positionspapier der EU-Kommission.

Das zweite Anliegen, das Brüssel durchsetzen will, ist die Europäisierung der Stromversorgung und Förderung. Anstatt Reservekraftwerke mit Subventionen zu hohen Preisen für die Verbraucher vorzuhalten, drängt die Kommission auf ein europäisches Netz. Soll heißen: Deutschland braucht für sonnenarme Zeiten nicht selber vorzusorgen, sondern kann sich am Verbund mit den Nachbarstaaten bedienen. Altmaier und Kraft sollten sich also auf ein deutlich weitergehendes Konzept der EU einstellen, als sie es möglicherweise erwartet haben.

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