Ökonomie, die Gefühle schluckt

Saarbrücken. Viele seiner Kollegen hielten "Zur schönen Aussicht" für das unaufführbarste Werk Ödön von Horváths - völlig zu Unrecht, meint Wolfram Apprich. Diese Komödie, die der Autor von "Kasimir und Karoline" 1926 schrieb, die aber erst 1969 ihre Uraufführung erfuhr, scheine vielleicht auf den ersten Blick eine leicht(-gewichtig)e Komödie zu sein

Saarbrücken. Viele seiner Kollegen hielten "Zur schönen Aussicht" für das unaufführbarste Werk Ödön von Horváths - völlig zu Unrecht, meint Wolfram Apprich. Diese Komödie, die der Autor von "Kasimir und Karoline" 1926 schrieb, die aber erst 1969 ihre Uraufführung erfuhr, scheine vielleicht auf den ersten Blick eine leicht(-gewichtig)e Komödie zu sein. Doch auf den zweiten Blick merke man, "welche Untiefen es da gibt, wie wahnsinnig metaphernreich die Sprache ist". Apprich, aus Schwaben stammender Wahlberliner, hat in Saarbrücken bereits als Gastregisseur Hauptmanns "Biberpelz", Tschechows "Ivanov" und Brechts "Puntila" inszeniert. "Zur schönen Aussicht" wird sein erster Horváth, am Freitag ist in der Alten Feuerwache Premiere. Die Aktualität der Komödie liegt für Apprich auf der Hand. "Wir müssen da nicht Börsendaten reinbringen, um das zu zeigen". Horváth führt eine marode Männergesellschaft vor, die sich in einem maroden Hotel von einer abgetakelten steinreichen Freifrau aushalten lässt. Als eine - vermeintlich arme junge Frau auftaucht und erklärt, der Hoteldirektor sei der Vater ihres Kindes, rotten sich die Herren zusammen, um sie fertig zu machen. Die Habenichtse fürchten, dass sie Geld von ihnen will. Da gehe es auf der einen Seite um materielle Werte, um Wirtschaft, um Ökonomie und auf der anderen um Liebe, Gefühl und Utopie. "Und diese Gegenüberstellung, das Stülpen von Ökonomie auf Gefühle wird bei Horváth auf den Punkt gebracht", erklärt Apprich, "und das mit sehr guter Figurenzeichnung und großer literarischer Qualität". Auch die Schauspieler seien begeistert von der Horváth eigenen Kunstsprache, die gleichzeitig wirkt, als habe er dem Volk aufs Maul geschaut. Ob Gertrud Kohl, Klaus Meiniger oder Georg Mitterstieler - mit fast allen verbänden ihn eine langjährige Zusammenarbeit. "Da muss man nicht mehr abchecken, was geht und was nicht, man hat Vertrauen zueinander, das ist eine große Qualität." Schon in Konstanz zählte er zu Dagmar Schlingmanns "Regiestamm". "Das war eine experimentierfreudige und tolle Zeit", meint er rückblickend. "Da hat sich auch eine Konstanzer Regiesprache herausgebildet, wir haben ein bisschen versucht, Brecht zu machen". Nach 18 Jahren als freier Regisseur übernimmt Apprich ab der kommenden Saison den Posten des Schauspieldirektors am Landestheater Schleswig-Holstein. Daher wird Horváth seine letzte Arbeit für Saarbrücken sein. Apprich: "Deshalb ist es jetzt hier auch so ein bisschen sentimental." sbuPremiere an diesem Freitag, 19.30 Uhr, Alte Feuerwache

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