Ökonomen warnen vor schneller Erhöhung des Mindestlohns

Berlin · Seit knapp einem halben Jahr gilt flächendeckend ein Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Negative Auswirkungen sind kaum zu spüren. Doch Experten mahnen zur Vorsicht.

Wirtschaftsforscher halten eine schnelle Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns für riskant. "Ich wäre jetzt erst einmal extrem vorsichtig, den Mindestlohn anzuheben", sagte der Arbeitsmarktexperte Ronald Bachmann vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI). Die Einführung der neuen Lohnuntergrenze von 8,50 Euro pro Stunde zum Jahresstart sei dank der guten konjunkturellen Lage ohne größere negative Auswirkungen gelungen. Trotzdem sei Vorsicht geboten. "Eine Kombination aus einer sich irgendwann wieder abkühlenden Konjunktur und einem steigenden Mindestlohn könnte sehr gefährlich werden", sagte der Experte. "Dann würden die Kosten der Arbeit steigen, und die Firmen hätten gleichzeitig weniger Nachfrage". Damit würde auch der Bedarf an Arbeitskräften sinken. "Und wenn diese gleichzeitig noch teurer werden, ist die Gefahr von Entlassungen sehr hoch."

Eine Mindestlohn-Kommission soll alle zwei Jahre prüfen, ob der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn der allgemeinen Einkommensentwicklung angepasst werden muss. Die Kommission will erstmals im Mai oder Juni 2016 einen Vorschlag unterbreiten, wie hoch der Mindestlohn ab dem 1. Januar 2017 sein sollte.

Der stellvertretende Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Oliver Holtemöller, sagte: "Je höher der Mindestlohn wird, desto größer werden auch die Arbeitsplatzverluste ausfallen." Der Mindestlohn habe auch Auswirkungen auf das gesamte Lohngefüge. "Alle, die vorher 9,50 Euro verdient haben, wollen auch mehr verdienen, um den Abstand wieder herzustellen. Das heißt, die Lohnstückkosten steigen insgesamt in Deutschland." Die negativen Effekte geringerer Flexibilität werde man erst in der nächsten konjunkturellen Schwächephase sehen können, sagte Holtemöller. "Die Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt hat in der letzten Rezession sehr viel dazu beigetragen, dass sich die Lage stabilisiert hat."

Ähnlich sieht es auch der Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Ferdinand Fichtner: "Es ist vorstellbar, dass im nächsten Abschwung die Arbeitsmarkteffekte etwas ausgeprägter sind als sie es ohne den Mindestlohn wären."

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