Ökonomen kritisieren deutsche Wirtschaftspolitik

Wachstum befriedigend, Wirtschaftspolitik schlecht. Das sind die Kernbotschaften des Frühjahrsgutachtens der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute. Nachfolgend die wichtigsten Daten und Hintergründe, in Frage-Antwort-Form aufgearbeitet von SZ-Korrespondent Stefan Vetter.

Was erwarten die Experten?

Die Wirtschaftsforscher erwarten für das laufende Jahr ein Wachstum von 1,6 Prozent. Damit sind sie etwas pessimistischer als die Bundesregierung, die sich zu Jahresbeginn auf ein Plus von 1,7 Prozent festgelegt hatte. 2017 soll das Bruttoinlandsprodukt laut Frühjahrsgutachten um 1,5 Prozent zulegen .

Wie entwickelt sich die Beschäftigung?

Der Beschäftigungsboom ist weiter ungebrochen. Die Zahl der Erwerbstätigen erreicht 2016 mit 43,5 Millionen einen neuen Rekord. Im vergangenen Jahr waren es noch etwa 500 000 Beschäftigte weniger. Für das kommende Jahr wird ein weiterer Anstieg auf fast 44 Millionen erwartet. Die gute Konjunktur wird in erster Line vom privaten Konsum getragen. Zugleich wird für 2016 ein weiterer Rückgang der Arbeitslosenzahlen um 58 000 auf 2,74 Millionen vorhergesagt. Wegen der vielen Flüchtlinge, die zunehmend einen Job suchen, wird sich die Zahl der Erwerbslosen im kommenden Jahr um etwa 100 000 auf gut 2,8 Millionen erhöhen .

Warum steht die Regierung in der Kritik?

Schon der Titel des Gutachtens kündet von der Stoßrichtung: "Aufschwung bleibt moderat - Wirtschaftspolitik wenig wachstumsorientiert". Soll heißen: Gemessen an den günstigen Rahmenbedingungen - Rekordbeschäftigung, Niedrigzinsen, Haushaltsüberschüsse - fällt das Wachstum mager aus. Den Grund sehen die Forscher in falschen Prioritäten bei den Ausgaben. Statt stärker auf Investitionen zu setzen, konzentriere sich die Regierung auf "verteilungspolitische und konsumtive Maßnahmen". Genannt werden als Beispiele die Mütterrente und die abschlagsfreie Rente mit 63, die nicht durch Beiträge gedeckt sind. Die Forscher fordern, mehr Geld in Bildung und Infrastruktur zu stecken. Als "Wachstumshemmnis" gilt ihnen auch die "nach wie vor" hohe Steuer- und Abgabenlast.

Was sagen die Forscher zur EZB-Geldpolitik?

Die Politik des billigen Geldes der Europäischen Zentralbank (EZB) halten die Fachleute für angemessen. Damit distanzieren sie sich ebenfalls von der Bundesregierung. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU ) hatte die Nullzins-Politik der EZB jüngst heftig kritisiert. Dagegen argumentieren die Wirtschaftsforscher, solange sich zahlreiche Regierungen in der EU vor notwendigen Reformen in ihren Ländern scheuten, müsse die EZB versuchen, die Konjunktur anzukurbeln.

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