Ökonomen fordern höhere Löhne

Berlin · Mit 31,30 Euro pro Stunde lag Deutschland bei den Arbeitskosten für die Privatwirtschaft 2013 an achter Stelle in der EU. Das ermittelte das Forschungsinstitut IMK der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

Bei den Arbeitskosten liegt Deutschland seit Jahren schon im europäischen Mittelfeld. Und daran hat sich auch 2013 nichts geändert: Nach einer Studie des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) mussten deutsche Unternehmen im vergangenen Jahr 31,30 Euro pro geleistete Arbeitsstunde aufwenden (plus 1,4 Prozent). Das ist der achte Platz in Europa. "Wir können nicht davon reden, dass wir in Deutschland eine überschäumende Lohnentwicklung hatten", resümierte gestern Instituts-Chef Gustav Horn in Berlin . Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zur Entwicklung der Arbeitskosten .

Was sind Arbeitskosten ?

Zu den Arbeitskosten zählen der Bruttolohn, der Arbeitgeberanteil an den Sozialbeiträgen, Aufwendungen des Arbeitgebers für Aus- und Weiterbildung sowie bestimmte Steuern. Nach einem starken Anstieg in den Jahren 2011 und 2012 habe sich die Entwicklung seit 2013 wieder "deutlich verlangsamt", so Horn. Der Experte warnte davor, sich auf möglichst niedrige Arbeitskosten zu fixieren. Denn eine stärkere Lohnentwicklung und Binnennachfrage könne die Konjunktur stützen.

Wo liegt Deutschland im europäischen Vergleich?

Auf Platz acht, also im Mittelfeld. Höhere Arbeitskosten haben die Handelspartner Dänemark, Belgien, Schweden, Frankreich, Luxemburg, Niederlande und Finnland, wo zwischen 41,40 Euro und 32,40 Euro pro Stunde ausgegeben wird. Der Durchschnitt des Euroraums liegt bei 29 Euro . In Tschechien, Ungarn und Polen betragen die Stundenwerte zwischen 9,90 Euro und 7,80 Euro . Schlusslichter sind Rumänien und Bulgarien mit Arbeitskosten von 4,50 Euro und 3,70 Euro pro Stunde.

Wie ist die Lage in den europäischen Krisenländern?

Die Arbeitskosten reichen von 28,20 Euro in Irland über 27,20 Euro in Italien, 21 Euro in Spanien, 14,50 Euro in Griechenland bis 12,80 in Portugal. Horn sprach von einem "Brachialkurs" auf der Lohnseite in diesen Ländern. Der habe nicht zu einer nachhaltigen Überwindung der Krise geführt.

Gibt es in Deutschland Unterschiede zwischen dem Industrie- und dem Dienstleistungssektor?

Eindeutig ja. Laut Experten gibt es eine große Kluft zwischen beiden Sektoren - 36,20 Euro pro Stunde in der Industrie gegenüber 28,70 Euro bei den Dienstleistern. In vielen anderen Ländern sei der Verdienst hier deutlich höher als in Deutschland . Auch im öffentlichen Dienst sei die Entlohnung vergleichsweise "bescheiden".

Was empfehlen die Forscher?

Deutschland habe Nachholbedarf bei der Lohnentwicklung, sagt Horn. Die wirtschaftliche Schwäche vieler Euroländer schade der exportorientierten deutschen Konjunktur. Deshalb empfehlen die Experten Lohnsteigerungen um deutlich mehr als drei Prozent. Der ab 2015 geltende Mindestlohn von 8,50 Euro sei zudem ein wichtiger Schritt, um die Lohnentwicklung vor allem im Dienstleistungsbereich zu unterstützen.

Meinung:

Zu hohe Erwartungen

Von SZ-Redakteur Volker Meyer zu Tittingdorf

Deutschland braucht höhere Löhne. Das fordern in jüngster Zeit viele Experten. Nicht nur gewerkschaftsnahe Forscher, sondern auch etwa der Bundesbankpräsident. Viele Hoffnungen sind damit verknüpft. Eine kräftige Anhebung der Entgelte soll die deutsche Konjunktur anschieben und gleich auch noch die leidenden Volkswirtschaften kriselnder Euro-Länder retten. Doch selbst wenn die Lohndynamik hierzulande zulegt, wird dadurch die Wirtschaft in Europa nicht gesunden. Das entscheidende Problem ist vielmehr, dass die Unternehmen zu wenig investieren. Nur wenn die Rahmenbedingungen für Investitionen besser werden, die Politik sich also an - auch unpopuläre - Reformen wagt, werden Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum zunehmen. Und wenn dann in Deutschland die Produktivität zulegt, können auch die Löhne kräftig steigen.

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