Oberhirten treffen sich Hohe Erwartungen an die deutschen Bischöfe

Lingen · (dpa) Die katholische Kirche befinde sich in einer existenziellen Krise: in einer Glaubenskrise, einer Strukturkrise und einer Leitungskrise. Diese deutlichen Worte finden nicht etwa kritische Katholiken an der Basis, sondern sie stehen in einem Strategiepapier der Deutschen Bischofskonferenz.

Vier Bischöfe stellen darin fest: Leben und Reden fallen in der Kirche weit auseinander, es brauche einen echten kirchlichen Wandel, der mit einem „Mentalitätswandel (Demut) der Verantwortlichen beginnen muss“.

In dieser Woche treffen sich die Oberhäupter der 27 deutschen Bistümer im niedersächsischen Lingen an der Ems zu ihrer Frühjahrstagung. Die Erwartungen großer Teile des Kirchenvolks sind hoch. „Wir wollen endlich Taten sehen“, sagt etwa die Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (KFD), Mechthild Heil. Alles müsse auf den Prüfstand, auch die Machtstrukturen. Die Kirche müsse endlich geschlechtergerecht werden, fordern die KFD und die Schwesterorganisation Katholischer Deutscher Frauenbund. Und: Geistliche, die sich des Missbrauchs schuldig gemacht haben, müssten ihr Amt verlieren.

Heute Abend wollen die katholischen Frauen 30 000 Postkarten an den Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode als Gastgeber der Bischofskonferenz überreichen. Hundert Frauen gehen in einem Schweigemarsch zur Kirche St. Bonifatius und richten bei der Aktion „Macht Licht an“ Taschenlampen auf die Kirchentür – eine symbolische Aufforderung nach echter Aufklärung und echten Reformen.

Auch viele Bischöfe sehen, dass sich die Kirche ändern muss, und sind bereit, selbst Kernaussagen ihrer Morallehre auf den Prüfstand zu stellen. Zu ihnen gehört der Gastgeber Bode. Homosexualität etwa zählt in der katholischen Kirche als Sünde – aber gleichgeschlechtlichen Paaren, die voller Liebe und gegenseitiger Fürsorge lebten, dürfe die Kirche nicht den Segen verweigern, argumentiert er.

Auch wenn die katholische Kirche weit weg ist von einer Hochzeit für gleichgeschlechtliche Paare, wird in seinem und in anderen Bistümern bereits an liturgischen Konzepten für „Segnungsgottesdienste“ gearbeitet. Die Amtskirche müsse bereit sein, auch systemische Fragen offen zu diskutieren, fordert Bode, der auch stellvertretender Vorsitzender der Bischofskonferenz ist.

Allerdings: Auch wenn Bode mit seiner Haltung nicht allein ist und vor allem jüngere Bischöfe ähnlich denken, gibt es nach wie vor konservative Hardliner unter den Oberhirten. Die Bischofskonferenz ist seit Jahren zersplittert in verschiedene Gruppen.

Am Ende der Tagung werde es zu den wichtigen Fragen nur einen Minimalkonsens geben, erwartet Thomas Schüller, der in Münster Kirchenrecht lehrt. Dennoch sehe er die Zahl der „wachen Zeitgenossen“ unter den Bischöfen, die Veränderung wollen, wachsen. Einige Bischöfe werden in ihren Diözesen vorangehen und sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch an Grundsatzfragen heranwagen.

Wobei das Kirchenrecht den Ortsbischöfen Grenzen setzt: Sie können weder im Alleingang über den Zölibat, also die Ehelosigkeit von Priestern, noch über die Weihe von Frauen entscheiden. Aber es gibt Gestaltungsspielraum. Das zeigt der Münchner Kardinal Reinhard Marx, der künftig keinen Priester mehr als Verwaltungschef für seine Erzdiözese mehr einsetzen will, sondern eine Frau oder einen Mann im Laienstand.

Für die katholische Kirche, die immer noch ein „männerbündlerisches Machtsystem“ sei, sei diese Entscheidung ein substanzieller Schritt, auch wenn Frauen damit immer noch nicht im Zentrum der Macht in der Kirche angekommen seien, stellt Schüller fest: „Frauen kommen bis in den Vorhof der Macht, aber weiter nicht.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort