O’Rourke bewirbt sich bei Demokraten Der „weiße Obama“ will Donald Trump schlagen

Washington · Es ist, für einen kantigen Mann wie Beto O’Rourke eine erstaunlich heimelige Kulisse. Wohnzimmeratmosphäre, Plüschkissen, alte Möbel. Neben seiner Frau Amy sitzt er auf einem Sofa, nur steht die biedere Kulisse in auffallendem Kontrast zu seinen dramatischen Worten.

Die Herausforderungen, eine Krise der Wirtschaft, der Demokratie und des Klimas, seien nie größer gewesen als heute, sagt der schlaksige Politiker. „Entweder verzehren sie uns, oder sie geben uns die bisher beste Chance, das Genie der Vereinigten Staaten von Amerika zu entfesseln.“

 Mit der Videobotschaft aus dem Wohnzimmer stoppt O‘Rourke ein Karussell der Spekulationen, das sich mindestens seit November mit vollem Schwung dreht. Seit er im konservativen Texas zwar eine Senatswahl verlor, aber doch deutlich knapper, als man es bei einem Demokraten für möglich gehalten hatte, wollten seine Anhänger wissen, ob er sich denn nun fürs Oval Office bewerbe. Die Frage hat er am Donnerstag mit Ja beantwortet. Daran hatte eigentlich kaum jemand gezweifelt, und doch ließ O’Rourke durchblicken, wie schwer ihm die Entscheidung gefallen war. O’Rourke hat drei Kinder, acht, zehn und zwölf Jahre alt. Ihren Vater werden sie auf absehbare Zeit kaum zu Gesicht bekommen, und falls er die Vorwahlen der Demokraten gewinnt, dauert der Ausnahmezustand bis November 2020. Es erinnert an Barack Obama, den umjubelten Senkrechtstarter, und dessen Töchter. Und noch etwas lässt an Obama denken: ein ausgeprägtes Redetalent.

 O’Rourke ist in der Lage, aus dem Stegreif druckreife, bisweilen poetische Sätze zu drechseln. Sein Thema ist der Charakter Amerikas, das Selbstverständnis einer Einwanderernation, die sich eben nicht durch eine Mauer abschotten dürfe. Zudem vermittelt er das Gefühl, Brücken über politische Gräben brauen zu können. Ein frisches Gesicht. Aufbruchsstimmung. Kein Wunder, dass manche den 46-Jährigen schon jetzt den weißen Obama nennen.

 Nüchtern betrachtet, hat sein Eintritt in das Rennen das Kandidatenfeld der Demokraten so gut wie komplettiert. Über ein Dutzend Bewerber gibt es bereits. Mit Joe Biden, dem ehemaligen Vizepräsidenten, könnte noch ein Aussichtsreicher hinzukommen, aber das dürfte es dann auch gewesen sein. O’Rourke gehört auf Anhieb zum Kreis der Favoriten. Es hat nicht nur mit seinem Charisma zu tun, sondern auch damit, dass er sich aufs Spendensammeln versteht – eine Voraussetzung, um die teure Wahlwerbung finanzieren zu können. Seine Mitfavoritenrolle hat aber auch damit zu tun, dass er bei Wählern ankommt, in deren Augen der Kandidatenpulk zu weit nach links gedriftet ist.

 Forderungen wie jene nach einer staatlichen Einheitskrankenkasse oder einer Vermögenssteuer trägt er nicht mit. O’Rourke verlangt ein Verbot des Verkaufs von Schnellfeuergewehren, einen staatlich garantierten Mindestlohn von 15 Dollar pro Stunde und eine Einwanderungsreform, die illegal in den USA lebenden Migranten einen Weg in die Legalität ebnen soll, hin zur Einbürgerung. Für Texaner auf dem flachen Land mag sich das schon wie ein radikales Programm anhören, anderswo steht es für linksliberalen Pragmatismus.

 Der Sohn eines Richters, der einst in einer Band Punkrock spielte, ist in El Paso aufgewachsen, an der Grenze zu Mexiko. Er besuchte eine teure Internatsschule und studierte an der prestigeträchtigen Columbia University in Manhattan. In New York betreute er den Nachwuchs wohlhabender Eltern, transportierte Gemälde für ein auf Kunst spezialisiertes Fuhrunternehmen, in El Paso gründete er schließlich eine IT-Firma. 2005 wählten ihn die Bürger seiner Heimatstadt in die Gemeindeverwaltung, 2012 ins amerikanische Repräsentantenhaus.

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