Nur wenige Ausnahmen beim Mindestlohn

Der Gesetzentwurf von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zum Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro steht. Die Vorlage wurde gestern zur Abstimmung an mitberatende Ressorts und Verbände verschickt. Am 2. April soll der Entwurf im Bundeskabinett verabschiedet werden. Nachfolgend stellt SZ-Korrespondent Stefan Vetter die wichtigsten Details des fast 60 Seiten umfassenden Paragrafenwerks, das unserer Zeitung vorliegt, in Frage-Antwort-Form dar:

 Viele Floristen verdienen weniger als 8,50 Euro pro Stunde. Foto: Fotolia

Viele Floristen verdienen weniger als 8,50 Euro pro Stunde. Foto: Fotolia

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Wann kommt der Mindestlohn?

Der Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Arbeitsstunde soll zum 1. Januar 2015 bundesweit eingeführt werden. Bis Ende 2016 sind aber noch Abweichungen möglich. Das muss aber in Tarifverträgen geregelt sein. Falls bestehende Tarifverträge über den 31. Dezember 2016 hinaus einen niedrigeren Mindestlohn enthalten, wären sie danach ungültig. Wirklich flächendeckend kommt der Mindestlohn also erst ab 1. Januar 2017. Dieser Fahrplan ist allerdings nicht neu. Vielmehr wurde er so schon im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD festgelegt.

Welche Ausnahmen gibt es?

Ehrenamtliche, Schüler sowie Lehrlinge und Praktikanten, deren Praktikum im Rahmen einer Berufsausbildung oder der Vorbereitung für ein Studium erfolgt, sind vom Mindestlohn ausgenommen. Sie stehen auch nicht in einem klassischen Arbeitsverhältnis. Zugleich sollen junge Leute unter 18 Jahren generell außen vor bleiben. Damit will Nahles vermeiden, dass Jugendliche lieber einen Billigjob annehmen statt eine schlechter vergütete Ausbildung. Die Union hat zuletzt vehement auf eine höhere Altersgrenze gepocht. Weitere politische Konflikte sind deshalb programmiert.

Was gilt für Langzeitarbeitslose?

Das ist die vielleicht größte Überraschung der Nahles-Vorlage: Personen, die ein Jahr und länger keinen Job hatten, sind nach der Aufnahme einer Beschäftigung ein halbes Jahr lang vom Mindestlohn ausgenommen. Die Ministerin trägt damit den Bedenken der Wirtschaft Rechnung, dass sich die Jobchancen für Langzeitarbeitslose besonders in strukturschwachen Regionen durch einen Mindestlohn noch weiter verschlechtern könnten.

Was gilt für einzelne Branchen?

Für Branchen werde es keine Ausnahmen geben, stellte Nahles gestern klar. Damit entfällt auch die im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellte Sonderbehandlung für Erntehelfer. Für sie könnte es noch einen Tarifvertrag geben, der bis Ende 2016 einen Mindestlohn unterhalb von 8,50 Euro vorsieht. Unklar ist noch, wie bei Beschäftigten mit einem Stücklohn, zum Beispiel Zeitungszusteller, verfahren werden soll. Dies soll im weiteren Gesetzgebungsverfahren geklärt werden. Fest steht dagegen, dass auch bestimmte Personengruppen wie Rentner oder Minijobber vom Mindestlohn profitieren sollen. Für sie hatten Teile der Union ebenfalls Ausnahmen angemahnt.

Wie wird der Mindestlohn in Zukunft angepasst?

"Ein höherer Mindestlohn kann erstmals mit Wirkung zum 1. Januar 2018 durch eine Kommission der Tarifpartner beschlossen werden", heißt es im Gesetzentwurf. Im weiteren Verlauf sollen die Anpassungen jährlich erfolgen. Ein Kriterium dafür ist die jeweils zurückliegende Lohnentwicklung.

Löst der Mindestlohn das Armutsproblem?

Nein. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit werden mit dem Mindestlohn von 8,50 Euro allein 41 Prozent der alleinstehenden Aufstocker weiter auf Hartz IV angewiesen sein. Die Frage ist auch, ob durch die einheitliche Lohnuntergrenze Arbeitsplätze vernichtet werden. Nahles geht bei ihrem Gesetzentwurf von einer beschäftigungsneutralen Wirkung aus. Nach Einschätzung des Münchner Ifo-Instituts stehen durch den Mindestlohn dagegen bis zu 900 000 Jobs auf der Kippe.

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