Nokia springt ins Rettungsboot von Microsoft

London/Berlin. Nokia gesteht das Scheitern im Smartphone- Geschäft ein und hofft auf einen Neuanfang zusammen mit Microsoft. Nachdem Apples iPhone und vor allem Handys mit dem Google-Betriebssystem Android dem Marktführer immer stärker die Luft abschnürten, sucht der neue Nokia-Chef Stephen Elop den Befreiungsschlag

London/Berlin. Nokia gesteht das Scheitern im Smartphone- Geschäft ein und hofft auf einen Neuanfang zusammen mit Microsoft. Nachdem Apples iPhone und vor allem Handys mit dem Google-Betriebssystem Android dem Marktführer immer stärker die Luft abschnürten, sucht der neue Nokia-Chef Stephen Elop den Befreiungsschlag. Microsofts Windows Phone wird Nokias wichtigste Smartphone-Plattform, kündigten die beiden Konzerne gestern an.Einen Sprung ins eiskalte Wasser von einer "brennenden Bohrinsel" hatte der frühere Microsoft-Manager Elop von seiner Truppe zuletzt gefordert. So schlimm muss es nun nicht kommen: Die Finnen springen nicht in die tosende See, sondern in das Rettungsboot von Microsoft. Bleibt aber die Frage, ob das Schiff dem schweren Seegang in der Branche standhalten kann. Microsofts aktuelles Betriebssystem Windows Phone 7 kam zuletzt nur auf gut drei Prozent Marktanteil - wohlgemerkt, nur im Smartphone-Markt, im gesamten Handy-Geschäft ist der Anteil verschwindend gering.

"Das Spiel hat sich verändert. Aus dem Kampf mobiler Geräte ist ein Krieg zwischen Ökosystemen geworden", sagte Elop vor Analysten in London einen Schlüsselsatz. Die Smartphones, die neben dem Telefonieren vielerlei von der Computernutzung bekannte Anwendungen ermöglichen, sind inzwischen nicht nur teure Geräte, mit denen die Hersteller einmal Geld verdienen. Sie sind vielmehr das Portal zu Plattformen, über die Konzerne Software, Musik, Filme, Medieninhalte oder andere Dienstleistungen verkaufen können.

Nokia versuchte zwar frühzeitig, mit einer eigenen Plattform namens Ovi (finnisch für "Tür") auf den Trend aufzuspringen, konnte jedoch nicht an Apples boomendes iTunes-Geschäft herankommen. Jetzt wird die Ovi-Tür also ins "Windows"-Fenster von Microsoft führen. Die Börsianer richteten die Daumen ob dieser Aussicht nach unten: Die Nokia-Aktie sackte in Frankfurt um neun Prozent ab. Gelingt es den beiden Verlierern am Mobilfunkmarkt, gemeinsam zu punkten? "Zwei Truthähne ergeben keinen Adler", stichelte Vic Gundotra, Manager beim Konkurrenten Google, beim Kurznachrichtendienst Twitter. Der Nokia-Chef konterte den Truthahn-Vergleich mit dem Beispiel der Gebrüder Wright, die von Fahrrad-Mechanikern zu Luftfahrt-Pionieren wurden. "Es gibt andere mobile Ökosysteme. Wir werden sie stoppen. Es wird Herausforderungen geben. Wir werden sie überwinden", verkündeten Elop und Microsoft-Chef Steve Ballmer in einem gemeinsamen Brief.

Dafür wollen der Handy-Marktführer und der weltgrößte Software-Konzern alle ihre Juwelen zusammenlegen. So sollen alle Nokia-Nutzer mit Microsofts Bing im Internet suchen. Nokias Kartendienst Navteq soll Microsoft-Angebote ergänzen. Und die Stärke Nokias im Massenmarkt mit guten Beziehungen zu Mobilfunk-Anbietern soll die Verbreitung der Windows-Telefone anschieben. Was aus Nokias Inhalte-Plattform Ovi wird, werde später bekanntgegeben, hieß es.

Die neuen Geräte von Nokia und Microsoft sollen den Siegeszug von Android stoppen, der auch Apple mit seinem iPhone Sorgen macht. Binnen eines Jahres schoss Android von 4,7 Prozent des Smartphone-Marktes auf knapp ein Drittel im Schlussquartal 2010 hoch. Nokia fiel von 45 auf gut 30 Prozent zurück.

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