Auftritt von „Fury in the Slaughterhouse“ in Neunkirchen Noch lange nicht reif fürs Schlachthaus

Neunkirchen · „Fury in the Slaughterhouse“ spielte zum 30-jährigen Bestehen in der ausverkauften Neunkircher Gebläsehalle: Musikalisch und atmosphärisch stark und mit viel Spielfreude.

Fury in the Slaughterhouse in Neunkirchen
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Manchmal macht der Name alles aus: Als Wingenfelder: Wingenfelder lockten die Brüder Kai und Thorsten 2012 gerade mal 70 Leute ins pfälzische Hornbach. Ganz anders jetzt als Teil ihrer bekannten Formation „Fury and the Slaughterhouse“. Da sorgten sie mühelos für eine ausverkaufte Neunkircher Gebläsehalle. Kai, der 58-jährige Sänger mit der markanten Stimme, und der sieben Jahre jüngere Thorsten an der Gitarre, sind die beiden Köpfe hinter der Indie-Rockgruppe aus Hannover, die 1986 ins Leben gerufen wurde und vor allem in den Neunzigern große Erfolge verbuchte.

Dass die 2008 aufgelöste Band nun wieder tourt, habe sich zufällig ergeben. Man habe dieses Jahr nur ein einziges Reunion-Konzert spielen und zum bewerben ein neues Lied aufnehmen wollen. Dann sei aber das Konzert in sieben Stunden ausverkauft gewesen und man habe im Studio so viel Spaß gehabt, dass weitere Pläne geschmiedet worden seien, so Kai Wingenfelder. Sechs neue Songs entstanden. Und es gibt nächsten September eine Kreuzfahrt, bei der die Band mit „Friends“ wie Mousse T., Fischer-Z oder Fools Garden auftritt. Und bis morgen eine fast durchgehend ausverkaufte Akustik-Tour, bei der auch Neunkirchen Station war. Alles aber bloß fürs 30-jährige Bandjubiläum, so die Beteuerung.

Solange ein Comeback so viel Hingabe, Spielfreude und Atmosphäre aufweist wie die zweieinhalbstündige Show am Samstag, hat sicher keiner der größtenteils Ü50-Fans etwas gegen einen Zuschlag. Die Klassiker fehlen nicht und sorgen für den größten Jubel: „Time to wonder“ im Zugabenblock, das angeblich gerade flott auf der Fahrt ins Saarland komponierte „Won’t forget these days“, das ewig aktuelle „Every generation got its own disease“ oder das von McGuinness Flint adaptierte „When I'm dead and gone“. Und natürlich „Radio orchid“, das allerdings in der Urversion fremd wirkt, für manchen vielleicht eine kleine Enttäuschung des Abends.

Ansonsten betten Multiinstrumentalistin Anne de Wolff und die sieben gut aufgelegten Kompagnons bekannte wie neue Fury- und Cover-Texte (etwa „The Cures „Boys don’t cry“ oder „Protection“ von Fischer-Z) in ein ungewohntes aber genussvolles Klangpanorama. Dafür sorgen auch Mandolinen, Didgeridoo, Akkordeon, Pedal-Steel-Guitar oder Mundharmonika. Von Irish Folk („Words“), Balladen („Dance on the frontline“) bis zu „Boss-Hoss“-anmutenden Tanzstücken („Cry it out“) geht’s querbeet.

Es ist ein erfreulich sachlicher Abend ohne Klatschaufforderungen, das Publikum muss keine „Ohohoh“s schmettern, es geht um die Musik und Wingenfelders dunkle Stimme. Passend dazu hält Gitarrist Christof Stein-Schneider, der mit Bart und Glitzeranzug wie Helge Schneider aussieht, ein Plädoyer für handgemachte Musik. In Zeiten von Spotify, in denen Songs nur noch von Maschinen hergestellt würden, solle man für fünf Euro Konzerte regionaler Bands besuchen.

Anekdötchen aus 30 Jahren Bandgeschichte gibt’s auch: Kai Wingenfelder plaudert darüber, wie er mit Dave Grohl von den „Foo Fighters“ Whisky trank oder ein Renault die Differenzen mit einem Barkeeper in der Ardeche beilegte. Sein Bruder hält die schriftliche Genehmigung des befreundeten BAP-Sängers Wolfgang Niedecken hoch, eine von ihm auf Kölsch übersetzte Textpassage bei „Seconds to fall“ live spielen zu dürfen.

Mit fortlaufender Spielzeit betreiben die Fans immer öfter von selbst die zuvor von Wingenfelder noch verordnete „Thromboseprophylaxe“: Sie erheben sich von den Stühlen, wippen, tanzen. Da endet das „betreute Rocken mit Fury“. Auch die beiden Wingenfelders lassen gegen Schluss ihre Hocker Hocker sein.

Das seit erfolgreichen Festivaltagen etablierte Abschlusslied „It's a long way to the top“ von ACDC spiele man in Neunkirchen auch noch aus einem traurigen Grund. Die Nachricht vom Tode des ACDC-Gitarristen Malcolm Young hatte in den Stunden vor der Show die Runde gemacht. Kai Wingenfelders Schlussworte: „Mögest du da oben Spaß haben, genügend gute Musiker gibt’s ja inzwischen dort!“

(ek)
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