Noch keine Trendwende in der Stahlkonjunktur

Auch wenn die Stahlkonjunktur in Europa weiterhin lahmt, rechnet Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, dauerhaft mit weltweit steigender Nachfrage. Mit Kerkhoff sprach SZ-Redakteur Lothar Warscheid.

Im Moment gibt es für die deutsche Stahlindustrie wieder einen leichten Hoffnungsschimmer. Könnte das in eine dauerhafte Erholung münden?

Kerkhoff: Von einem Aufschwung möchte ich in keinem Fall reden. Wir sprechen von einer moderaten Erholung in einem im Vergleich zum Vorjahr stabileren Risiko-Umfeld. Das Geschäftsklima hat sich verbessert, doch die Unternehmen sehen die Lage weiterhin als schwierig an und erwarten gegenwärtig auch noch keine Trendwende.

Wie stark wirkt sich derzeit noch die Schuldenkrise im Euroraum auf die Nachfrage nach deutschem Stahl aus?

Kerkhoff: In diesem Jahr wird die Stahlproduktion in Deutschland als Folge der gedrückten wirtschaftlichen Lage um ein Prozent auf 42,2 Millionen Tonnen zurückgehen, nach einem Minus von vier Prozent. Im internationalen Vergleich hält sich Deutschland aber relativ gut: Die Kapazitätsauslastung liegt bei 83 Prozent, verglichen mit 73 Prozent in Europa und 76 Prozent in der Welt.

Wie stark drücken Überkapazitäten auf die Märkte?

Kerkhoff: Die Auswirkungen sind massiv. Als Folge der hohen Unterauslastung - insbesondere in Südeuropa - resultiert ein intensiver Preiswettbewerb in Europa, dem sich die Unternehmen in Deutschland nicht entziehen können. Überkapazitäten bestehen aber nicht nur in Europa. Das Hauptproblem ist China. Dort muss endlich mit dem Kapazitätsabbau Ernst gemacht werden. In Deutschland packen die Unternehmen das Thema an. Die Anpassungen an die veränderten Rahmenbedingungen gehen voran. Für eine europäische Debatte ist wichtig, dass es nicht zu strukturellen Überkapazitäten kommt, die womöglich noch mit staatlichen Beihilfen am Markt gehalten werden. Wir müssen als Land mit der größten Rohstahl-Produktion in Europa darauf achten, dass der Wettbewerb nicht verzerrt wird. Für mich ist immer ganz wichtig, dass die Politik sich da raushält.

Weltweit steigt die Stahlnachfrage weiter und liegt derzeit bei 1,5 Milliarden Tonnen pro Jahr. Wann dürfte hier der Höhepunkt erreicht sein?

Kerkhoff: Wir haben momentan stabile Steigerungsraten. Für die kommenden Jahre wird jeweils mit einem Plus von drei Prozent gerechnet. Wichtige Schwellenländer wie Brasilien oder Indien haben zwar momentan durchaus auch strukturelle Schwächen. Die Stahlnachfrage wächst daher dort gegenwärtig unter ihrem Potenzial. Dennoch: Stahl ist der industrielle Werkstoff Nummer eins. Er wird gebraucht, damit Schwellenländer zu Industrieländern werden. Er wird auch in den Industrieländern weiterhin benötigt. Wir haben in Deutschland 2500 verschiedene Stahlsorten im Programm. Darunter finden sich viele hochwertige Stähle, die für die Stahlverarbeiter wichtig sind, um am Weltmarkt erfolgreiche Produkte herzustellen.

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