Noch ein Anwärter auf Hollandes Nachfolge

Paris · Zum Abgang wählte Emmanuel Macron den ungewöhnlichen Weg. Statt im Dienstwagen fuhr der französische Wirtschaftsminister mit dem Schiff über die Seine zum Elysée-Palast, um Präsident François Hollande sein Rücktrittsschreiben zu überreichen. Der Brief soll seit Tagen fertig gewesen sein, gestern gab ihn der beliebte 38-Jährige dann tatsächlich ab. Nachdem der Jungstar im April seine eigene politische Bewegung "En Marche" (In Bewegung) gegründet hatte, wurde über sein Ausscheiden aus dem Kabinett spekuliert.

Der Augenblick sei gekommen, um "die Dynamik der vergangenen Monate zu verstärken", schrieb der einstige Investmentbanker in einer Botschaft an seine Unterstützer. Der Parteilose, dessen Bewegung sich selbst politisch "weder rechts noch links" verortet, hatte im Juli sein erstes großes Meeting vor rund 4000 Zuhörern abgehalten. Niemand werde die Bewegung aufhalten, sagte er damals. "Wir werden sie bis 2017 tragen, bis zum Sieg." Von Hollande wurde der Minister für diesen Auftritt gerüffelt. Wer die Regeln nicht respektiere, könne nicht in der Regierung bleiben, sagte der Präsident. Die Drohung war nicht zu überhören.

Macron hatte Hollande bei dessen Präsidentschaftsbewerbung 2012 schon früh unterstützt und war mit dem Posten des Wirtschaftsberaters im Elysée belohnt worden. Vor zwei Jahren machte der Staatschef seinen politischen Ziehsohn zum Wirtschaftsminister. Der studierte Philosoph nahm im Amt kein Blatt vor den Mund. So kritisierte er voriges Jahr vor dem Arbeitgeberverband Medef die den Sozialisten heilige 35-Stunden-Woche. Als Ressortchef legte Macron ein nach ihm benanntes Gesetz vor, das die Wirtschaft ankurbeln soll. Es sieht die Einrichtung von Fernbuslinien, erweiterte Ladenöffnungszeiten und eine einfachere Zulassung zu bestimmten Berufen wie Notar vor. Beim linken Flügel der Sozialisten war das Gesetz jedoch so umstritten, dass es ohne Abstimmung durchs Parlament gebracht werden musste.

Nach seinem Rücktritt dürfte Macron eine eigene Präsidentschaftskandidatur vorbereiten, die immerhin 36 Prozent der Franzosen unterstützen. Bereits seit Wochen soll der bekennende Wirtschaftsliberale, der mit seiner 20 Jahre älteren früheren Französisch-Lehrerin verheiratet ist, an einem Programm arbeiten. Eine Kandidatur dürfte er aber erst später verkünden und dabei auch Rücksicht auf Hollandes Pläne nehmen. Der Staatschef will im Dezember bekanntgeben, ob er eine zweite Amtszeit anstrebt. In diesem Fall müsste sich Hollande im Januar den internen Vorwahlen der Sozialisten stellen, dabei dürfte er auf seine Ex-Minister Benoît Hamon und Arnaud Montebourg treffen.

Macron, der seit 2009 nicht mehr Mitglied der sozialistischen Partei ist, könnte dagegen als unabhängiger Kandidat antreten. Kompetenz außerhalb der Wirtschaft hat er bislang noch nicht bewiesen. Dass er trotzdem so beliebt ist, zeigt, dass sich das Land nach einem Hoffnungsträger sehnt. Nach einem Politiker, der nicht so verbraucht ist wie Hollande, Nicolas Sarkozy und Marine Le Pen . Die Franzosen wollen neue Köpfe und neue Konzepte. Deshalb könnten sie bereit sein, Macron eine Chance zu geben.

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