Nobelpreisträger Joseph Stiglitz rechnet temperamentvoll mit dem Neoliberalismus ab

Saarbrücken. Joseph Stiglitz wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet, war Chefvolkswirt bei der Weltbank, leitet die UN-Kommission zur Reform der internationalen Geld- und Finanzmärkte und lehrt an der Columbia University in New York Volkswirtschaftslehre. Sein temperamentvolles Buch "Im freien Fall" steht in der Tradition von Keynes

Saarbrücken. Joseph Stiglitz wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet, war Chefvolkswirt bei der Weltbank, leitet die UN-Kommission zur Reform der internationalen Geld- und Finanzmärkte und lehrt an der Columbia University in New York Volkswirtschaftslehre. Sein temperamentvolles Buch "Im freien Fall" steht in der Tradition von Keynes.

Stiglitz geht den Ursachen der jüngsten Krise auf den Grund, ordnet sie in die Kette der Beweise von Marktversagen in der Vergangenheit und rechnet mit der Ideologie ab, die er bei Reagan und Thatcher am besten aufgehoben fand: Die Entfesselung der Märkte, als "Deregulierung" schön geredet, und die ungleiche Verteilung von Wohlstand waren ja keine unbeabsichtigten Folgen einer neoliberalen Wirtschaftspolitik, sondern ihr ausdrückliches Ziel. Der Autor denunziert diese ungerechte, wirtschaftlich unvernünftige Zielsetzung.

In den ersten Kapiteln beschreibt Stiglitz das Entstehen und die Auswirkungen der US-amerikanischen Hypothekenkrise als Anstiftung der kleinen Leute und des Mittelstandes zum Schuldenmachen. Es war eigentlich klar, dass die Menschen sie aus ihren seit Jahrzehnten nicht mehr gestiegenen Einkommen nicht würden zurückzahlen können. Er zieht Parallelen zwischen der Verschuldung von ganzen Staaten wie von Privatpersonen und berechnet die Vernichtung von Vermögenswerten gerade der Bevölkerungsschichten und armen Völkern, die von deregulierten Märkten noch nie profitiert haben. Im zweiten Teil seines Buches definiert er eine "neue" Marktwirtschaft, in der dem Staat und den internationalen Institutionen wieder regulierende, diesmal vielleicht sogar wirksame Funktionen übertragen werden. Er sieht die Möglichkeit, zu einem globalen Wohlstand zu gelangen, wenn die internationalen Finanzmärkte an die Kette gelegt werden und wenn weltweit Arbeitsplätze gesichert werden.

Dazu seien die meisten Maßnahmen des Krisenmanagements der vergangenen 18 Monate ungeeignet, sogar kontraproduktiv, weil sie öffentliche Mittel in die Aufrechterhaltung überholter Strukturen geleitet hätten. Stiglitz ruft dazu auf, die "Nahtoderfahrung" der letzten Krise als Chance zu begreifen und beendet sein Buch mit einer wissenschaftlich fundierten Vision. Seine jahrzehntelange Praxis bewahrt den Autor vor Traumtänzereien.

Die Abrechnung mit der neoliberalen Theorie rechtfertigt einen Ton, der den Anflug von Rechthaberei nicht nur erträglich, sondern auch sympathisch macht: Stiglitz entlässt seine Kollegen aus der Wissenschaft nicht aus der Verantwortung.

Joseph Stiglitz: Im freien Fall. Vom Versagen der Märkte zur Neuordnung der Weltwirtschaft. A. d. amerik. Engl. von Thorsten Schmidt, Siedler, 448 S., 24,95 €

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Bei unserem Bericht über die Abgänger an der Berufsbildenden Schule Zweibrücken in der Donnerstags-Ausgabe wurden die Bildtexte vertauscht. Auf dem großen Foto oben sind nicht die Schüler der BF 1, sondern die der BF 2 zu sehen. Erstere haben sich auf dem
Bei unserem Bericht über die Abgänger an der Berufsbildenden Schule Zweibrücken in der Donnerstags-Ausgabe wurden die Bildtexte vertauscht. Auf dem großen Foto oben sind nicht die Schüler der BF 1, sondern die der BF 2 zu sehen. Erstere haben sich auf dem