Nicht alles neu, aber vieles anders

Saarbrücken. Sieben Jahre ist es mittlerweile her, da waren Wir sind Helden mit ihrer "Reklamation" über uns gekommen. Die selbst ausgegebene Formel aus "28 Prozent Synthie, 34 Prozent Punk und 38 Prozent Pop" bescherte dem Berliner Quartett mit verspieltem Charme und deutschen Texten, aber bisweilen auch mit Nervpotenzial eine beschleunigte Erfolgsgeschichte

 Sängerin Judith Holofernes beim Rocco del Schlacko-Festival im August 2010. Foto: Jenal

Sängerin Judith Holofernes beim Rocco del Schlacko-Festival im August 2010. Foto: Jenal

Saarbrücken. Sieben Jahre ist es mittlerweile her, da waren Wir sind Helden mit ihrer "Reklamation" über uns gekommen. Die selbst ausgegebene Formel aus "28 Prozent Synthie, 34 Prozent Punk und 38 Prozent Pop" bescherte dem Berliner Quartett mit verspieltem Charme und deutschen Texten, aber bisweilen auch mit Nervpotenzial eine beschleunigte Erfolgsgeschichte. Nachdem der Heldenpop auf dem berechenbaren Album "Soundso" (2007) erste Frischeeinbußen zeigte, zog sich die Band zurück: drei Jahre, in denen Frontfrau Judith Holofernes und Schlagzeuger Pola Roy Nachwuchs bekommen haben. Mit ihrem vierten Longplayer "Bring mich nach Hause" kommen sie ziemlich runderneuert zurück.Dabei ist zwar nicht alles neu, aber vieles anders. Mit verschrobenen Popüberdrehungen hält sich die Band zurück, auch die quietschigen Wortspielereien, für die Holofernes so berühmt wie berüchtigt ist, sind zurückhaltender dosiert. Schon die CD-Hülle von "Bring mich nach Hause" verzichtet auf bunte Farbspielereien, stattdessen zeigt sie ernstere Helden in gedeckten Brauntönen. Ein Rückzug ins Introspektive? Ja. Müdigkeit? Keineswegs. Wir sind Helden wollen immer noch etwas sagen, ihre Gedanken über Sehnsüchte, Gefühlslagen, die emotionschaotischen Fragen des Lebens unters Volk bringen. Nur machen sie es nicht mehr mit dem Megafon, sondern leiser, zärtlicher, intimer. Im eindringlichen Titelsong, der sich dunkel melancholisch aufbaut, sehnt sich Holofernes nach Geborgenheit und offenen Armen; hinter dem schrägen Titel "Meine Freundin war im Koma und alles, was sie mir mitgebracht hat, war dieses lausige T-Shirt" verbirgt sich tiefe Traurigkeit; in "Die Ballade von Wolfgang und Brigitte" kommt die Liedermacherin durch, wird sie zur Geschichtenerzählerin, die von einer traurigen Liebe aus der 68er Elterngeneration erzählt. Auch musikalisch haben sich Wir sind Helden passend zur neuen Stimmungslagen verändert. Der Synthesizer wurde in die Ecke gestellt. Stattdessen haben sie ihr Album im Studio so gut wie live eingespielt und erweitern dabei ihre Bandbreite und mit neuen Instrumenten ihre Klangpalette. "Was uns beiden gehört" fährt im beschleunigten Gypsy-Stil ein taumelndes Akkordeon auf, während "Die Träume anderer Leute" vom Retro-Pop gestreift wird. "Bring mich nach Hause" entwickelt sich mit seinen Nachdenklichkeiten, Zwischenturbulenzen und eingängigen Melodien zu einer vielseitigen wie runden Sache.Wir sind Helden: Bring mich nach Hause (Columbia).

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