Verbrechen des Nationalsozialismus Neues Bündnis will Erinnerung wach halten
Saarbrücken · Die Erinnerung an die Gräueltaten der Nationalsozialisten vor rund 80 Jahren verblassen zunehmend. Nicht nur gibt es bald keine Zeitzeugen mehr, auch die von dieser dunklen Epoche geprägte Nachkriegsgeneration wird immer kleiner.
Gleichzeitig gibt es auch im Saarland Dutzende von Vereinen, Organisationen und Lehrern, die die Erinnerung an die dunkle Epoche in der deutschen Geschichte in den Köpfen der jüngeren Generation wachhalten wollen. Sie haben jetzt eine gemeinsame Plattform. Am Donnerstagabend wurde die Landesarbeitsgemeinschaft „Erinnerungsarbeit im Saarland“ (LAG) gegründet. Dazu waren knapp 70 Vertreter von 80 Organisationen und Einzelakteure ins Bildungsministerium in Saarbrücken gekommen.
Bildungsminister Ulrich Commerçon (SPD) betonte in einer Erklärung, angesichts immer mehr schwindender biografischer Bezüge müsse die Erinnerungsarbeit „dringend neue Wege suchen. Die Landesarbeitsgemeinschaft wird hier wichtige Marken setzen.“ Das Saarland gehört nach Angaben des Leiters der Landeszentrale für politische Bildung, Erik Harms-Immand, zu den letzten Bundesländern, die eine solche Vernetzung umsetzen.
Der Gründung der LAG wurde von einem im Februar vergangenen Jahres ins Leben gerufenen Runden Tisch vorbereitet. Harms-Immand empfahl dem am Donnerstag gewählten LAG-Sprecherrat, die Arbeitskreise (jugend-orientierte Vermittlung im Internet und Erinnerungsarbeit an Schulen) beizubehalten. Der Runde Tisch hat ein Leitpapier für die LAG ausgearbeitet und eine Veranstaltung zum 80. Jahrestag der Reichspogromnacht am 9. November vorgeschlagen. Für den 22. März kommenden Jahres ist an der Saar-Uni ein „Tag der Erinnerungskultur“ geplant.
Der in den Sprecherrat gewählte Kirchenvertreter, Frank-Matthias Hofmann vom Evangelischen Büro des Saarlands, plädierte dafür, künftig mindestens einmal jährlich eine gemeinsame Aktion zu organisieren. Für das kommende Jahr schlug er das Thema „Westwall“ vor, das zwischen 1936 und 1940 errichtete Verteidigungssystem an der Westgrenze des Deutschen Reiches.
Wichtig sei es gerade in heutiger Zeit, Stellung zu beziehen etwa gegenüber der rechtspopulistischen Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD). Heftige Kritik gab es auch an der Teilnahme des Saar-AfD-Partei- und Fraktionschefs Josef Dörr an einer Demonstration vor einer Woche in Chemnitz. Als „widerlich“ bezeichnete Burkhard Jellonnek von der Initiative Neue Bremm, dass ein Landespolitiker mit weißer Rose in der Hand (Name der Widerstandesbewegung um die von den Nazis hingerichteten Geschwister Scholl) neben dem AfD-Politker Björn Höcke und dem mehrfach vorbestraften Pegida-Gründer Lutz Bachmann teilgenommen habe.
Harms-Immand betonte, der neue Sprecherrat biete die „große Chance“, kontroverse Fragen zu diskutieren und in Öffentlichkeit und Politik auf Forschungsprojekte zu drängen. Kürzlich sei etwa der Streit über die Rolle des früheren saarländischen Ministerpräsident Franz-Josef Röder (CDU) während der Nazi-Zeit neu aufgeflammt. Historiker streiten darüber, ob Röder ein Mitläufer war oder sich für die Hitler-Diktatur eingesetzt hat. Zu Kontroversen führt auch immer wieder der Umgang mit dem Völklinger Stahlbaron und verurteilten Kriegsverbrecher Hermann Röchling.