Neuer Streit um den Kurs der Bahn

Berlin. Bahnchef Rüdiger Grube und die Gewerkschaften haben zwei Tage nach dem Sieg von Union und FDP deutlich Position zum künftigen Kurs des bundeseigenen Konzerns bezogen: Der Unternehmensverbund inklusive Gleisnetz müsse erhalten bleiben, ein rascher Börsengang stehe nicht zur Debatte, lauten Grubes Kernpunkte

Berlin. Bahnchef Rüdiger Grube und die Gewerkschaften haben zwei Tage nach dem Sieg von Union und FDP deutlich Position zum künftigen Kurs des bundeseigenen Konzerns bezogen: Der Unternehmensverbund inklusive Gleisnetz müsse erhalten bleiben, ein rascher Börsengang stehe nicht zur Debatte, lauten Grubes Kernpunkte. Doch einen wichtigen Garanten dafür werden der oberste Bahner und die Gewerkschaften bald verlieren: die bisher mitregierende SPD. Über die Zukunft des letzten großen Staatsbetriebs flammt wieder Streit auf. Dass die schwarz-gelben Partner ihre Vorstellungen zur Bahn in der neuen Bundesregierung verfolgen wollen, haben ihre Verkehrsexperten schon klargemacht. "Sobald es der Kapitalmarkt zulässt, wollen wir die Transportgesellschaften verkaufen", sagte der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Dirk Fischer. Und FDP-Experte Patrick Döring kündigte an: "Wir werden das auf jeden Fall im Koalitionsvertrag dokumentieren." Im Wahlprogramm haben die Liberalen auch ihre langjährige Forderung fixiert, das 34 000 Kilometer lange Netz für mehr Wettbewerb auf der Schiene aus dem Konzernverbund herauszulösen und in Bundeseigentum zu lassen. Für den Personen- und Frachtverkehr der Bahn gelte dagegen die "Zielrichtung einer Vollprivatisierung". Grube steht damit nach rund fünf Monaten im Amt vor dem ersten Gefecht um die Firmenstrategie. Nachdem sein gestürzter Vorgänger Hartmut Mehdorn darüber regelmäßig in verbissene Abwehrkämpfe geriet, warb Grube für die "vielen Vorteile" der jetzigen Konzernstruktur. Seine Warnung vor einer "Zerschlagung" war jedoch kaum minder scharf: "Wir zerstören Unternehmenswert, und wir zerstören etwas, was der Kunde tagtäglich von uns abverlangt, nämlich Pünktlichkeit, hohe Qualität und Sicherheit." Denn auch das Baustellenmanagement gehöre zum Netz, das nicht vom Fahrbetrieb zu trennen sei. " Stützen kann sich der Bahnchef auf die Gewerkschaften. Denn das integrierte Unternehmen ermöglicht, dass Beschäftigte von nicht mehr nötigen Stellen in andere Konzernteile wechseln. "Wenn dieses System nicht mehr funktioniert, landen die Leute auf dem Arbeitsmarkt." Transnet-Boss Alexander Kirchner und der Vorsitzende der Gewerkschaft GDBA, Klaus-Dieter Hommel, warnten ebenfalls, "dieses erfolgreiche Modell" anzutasten. Dass die Finanz- und Wirtschaftskrise Privatisierungspläne sowieso für einige Jahre ausbremst, hat Grube auch schon konstatiert. Womöglich werde es erst 2013 oder 2014 so weit sein, also am Ende oder nach der neuen Legislaturperiode. Am Ziel, das Unternehmen kapitalmarktfähig zu machen, ändere sich aber nichts. Meinung

Auf die Bremse

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf Union und FDP sollten sich mit Plänen für einen Börsengang der Bahn und eine weitere Öffnung des Marktes Zeit lassen. Nicht nur, weil an der Börse noch kein ordentlicher Preis zu erzielen ist. Die Erfahrungen in anderen Ländern mahnen zur Vorsicht: In England mündeten Privatisierung und Trennung von Netz und Betrieb in einem Desaster; Neuseeland hat die Bahn nach vielen Problemen zurückgekauft. Zudem stimmen die Bedingungen für eine weitere Liberalisierung in Europa nicht. Während sich französische Konzerne auf dem deutschen Markt tummeln, blockiert Frankreich jede Konkurrenz zur Staatsbahn SNCF. Solch einen Nachteil für die Deutsche Bahn sollte die Politik nicht verstärken.

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