Nahles' Kampf gegen Langzeitarbeitslosigkeit

Berlin · Während insgesamt die Arbeitslosigkeit sinkt, ist die Bewegung bei Langzeitarbeitslosen minimal. Nun kündigt Arbeitsministerin Andrea Nahles zwei Aktions-Programme an.

Vom deutschen Jobwunder haben Langzeitarbeitslose bislang kaum profitiert. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD ) will das Problem nun mit zwei neuen Programmen bekämpfen. Die Opposition sieht darin alten Wein in neuen Schläuchen.

Lohnkostenzuschüsse und mehr individuelle Betreuung - mit diesem Rezept will Nahles der Langzeitarbeitslosigkeit beikommen. "Wir haben zu lange geglaubt, allein durch gute Konjunktur alle in Arbeit bringen zu können", räumte die Ministerin gestern ein. Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) untermauern diesen Befund. Demnach ist die Zahl der Arbeitslosen insgesamt zwischen 2009 und 2013 um 510 000 auf 2,9 Millionen zurückgegangen. Der Anteil derer, die mindestens ein Jahr lang ohne Job waren, hat sich im gleichen Zeitraum aber nur um etwa 40 000 auf 1,1 Millionen reduziert. Mehr als jeder dritte Erwerbslose ist also ein Langzeitarbeitsloser. Damit liegt Deutschland um fast zehn Prozentpunkte über dem Schnitt aller OECD-Industriestaaten.

An politischen Versuchen, die Dinge zum Besseren zu wenden, herrscht kein Mangel. So gibt es bereits ein Programm, das Arbeitgebern für zwei Jahre staatliche Lohnkostenzuschüsse von 75 Prozent garantiert, wenn sie dafür Langzeitarbeitslose einstellen. Seit April 2012 gelang das aber nur in 9400 Fällen. Auch die sogenannte Bürgerarbeit, ein Programm, das noch von der früheren Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU ) gestartet wurde, brachte keinen Durchbruch. Dafür gibt es zwei Hauptursachen: Zum einen sind die Betroffenen dem Arbeitsalltag oft schon so sehr entwöhnt, dass sie kaum zu einer geregelten, kontinuierlichen Tätigkeit in der Lage sind. Des Weiteren ist fast jeder zweite Langzeitarbeitslose bereits zwei Jahre lang ohne Job. Dieser Umstand führt zu großen Vorbehalten in den Unternehmen. Bei den Lohnkostenzuschüssen kommt es Untersuchungen zufolge eher zu Mitnahmeeffekten, weil Betriebe Langzeitarbeitslose auch ohne Extra-Förderung eingestellt hätten.

Gleichwohl setzt Nahles weiter auf dieses Instrument. Für bis zu 33 000 Langzeitarbeitslose ohne Berufsabschluss soll die BA demnach in den kommenden fünf Jahren einen Teil der Löhne finanzieren. Dabei sinkt die auf jeweils 18 Monate begrenzte Förderung schrittweise von 75 auf 25 Prozent. Neu ist, dass die Betroffenen nach der Arbeitsaufnahme von einem Trainer betreut werden. Dafür gibt es allerdings weder frisches Geld noch zusätzliches Personal. Das Programm ist vielmehr als Ersatz für die zum Jahresende auslaufende "Bürgerarbeit" gedacht. Und was die "Trainer" angeht, so kümmern sich schon jetzt etwa 1000 Mitarbeiter der Jobcenter im Rahmen eines Programms "50 plus" speziell um die Wiedereingliederung älterer Langzeitarbeitsloser. Ende 2015 läuft auch dieses Programm aus, und dann sollen sich diese Mitarbeiter um alle Langzeitarbeitslose kümmern. Auch um jene besonders schwer vermittelbaren Fälle, für die Nahles noch eine gesonderte Förderung auflegen will. Hier sind Lohnkostenzuschüsse von bis zu 100 Prozent möglich, die aber ebenfalls nur durch Umschichtungen finanziert werden.

Nach Angaben der grünen Arbeitsmarktexperten Brigitte Pothmer gibt es etwa 400 000 Personen mit massiven Vermittlungshemmnissen. Das Sonderförderprogramm von Nahles ist aber nur für maximal 10 000 Teilnehmer ausgelegt. Das sind gerade einmal 2,5 Prozent der Betroffenen. Und ihre Fachkollegin Sabine Zimmermann (Linke) befand: "Zwei Schmalspurprogramme für nur insgesamt 43 000 Betroffene sind noch keine nachhaltige Strategie zur Bekämpfung des Problems."

Meinung:

Keine Nachhaltigkeit

Von SZ-RedakteurJoachim Wollschläger

Das von Andrea Nahles vorgestellte Programm gegen Langzeitarbeitslosigkeit klingt wenig überzeugend. Letztlich wird hier nur Geld von einer in die andere Tasche umgeschichtet. Wenn Nahles dieses drängende Problem wirklich angehen will, wird sie nicht umhinkommen, zusätzliche Mittel in die sehr aufwendige Betreuung schwieriger Fälle zu investieren. Und sie wird akzeptieren müssen, dass es Menschen gibt, die schlicht nicht in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln sind. Ohne einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt bleiben diese dauerhaft ausgegrenzt.

Zum Thema:

HintergrundWirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD ) hat in einem Brief an Nahles ihren Wunsch bekräftigt, das Saarland zu einer Modellregion zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit zu machen.Die von Nahles angestoßenen Programme seien zwar ein "wichtiger Schritt in die richtige Richtung", könnten aber die auslaufenden Programme für Langzeitarbeitslose weder kompensieren noch darüber hinausgehende Effekte erzielen.Rehlinger will mit gesellschaftlichen Akteuren eine ganzheitliche Integrationsstrategie entwickeln. Diese müsse aber vom Bund finanziell unterstützt werden. red

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