Sportwelt trauert um Niki Lauda Kämpfer, Sieger, Legende – Servus, Niki Lauda

Saarbrücken · Der ehemalige Formel-1-Weltmeister, dessen schillerndes Leben einer Achterbahnfahrt glich, ist tot. Nicht nur die Motorsport-Welt trauert.

Zum Tod der Formel 1 Legende Niki Lauda. Absturz war schlimmer als Unfall
Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Er war dem Tod mehr als einmal von der Schippe gesprungen. Nun hat es ihn doch erwischt. Niki Lauda ist im Alter von 70 Jahren gestorben.

Es war ein Leben, das Stoff für einen Kino-Film bot, für zahlreiche Bücher – und unzählige Anekdoten: Niki Lauda war eine der schillerndsten Figuren der Formel 1, ein Kämpfer, ein Macher. Einer, der sich auf seinem Weg nie aufhalten ließ. „Der ist nicht gut genug“, sagte 1972 sein damaliger Teamchef bei March, der spätere FIA-Präsident Max Mosley. Er irrte gewaltig. Drei Jahre später war der Österreicher erstmals Weltmeister und längst auf dem Weg zur Ikone. Er startete eine einzigartige Karriere, die auch außerhalb der Rennstrecke unglaublich viele Wendungen nahm und ein stetiges Auf und Ab war. In Österreich verehrten sie ihn als „Niki Nationale“.

Reaktionen zum Tod von Niki Lauda
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Foto: dpa/David-Wolfgang Ebener

Ich habe Niki Lauda am 22. April 2000 in Silverstone kennengelernt – beim Formel 1 Grand Prix. Lauda war damals Berater des Jaguar-Rennstalls, er lief mir zufällig über die Füße. Es war Frühstückszeit. „Ich würde in den nächsten Wochen gerne eine Geschichte über Sie machen. Wann hätten Sie denn mal zehn Minuten Zeit?“ Lauda grinste spöttisch: „Zehn Minuten? Das stimmt doch eh nicht. Also, pack ma‘s glei.“ Sprach’s, setzte sich an den Tisch – und behielt Recht. Wir redeten fast eine Stunde. Ohne Pressesprecher, ohne Aufpasser – was im Formel-1-Zirkus auch damals schon so gut wie unmöglich war. Über seine Karriere, über den Rennstall, über Michael Schumacher, den er als damaliger Ferrari-Berater zur Saison 1996 nach Maranello geholt hatte. Vor allem aber auch über den Menschen Niki Lauda.

  1976: Lauda einen Monat nach seinem Feuerunfall am Nürburgring.

1976: Lauda einen Monat nach seinem Feuerunfall am Nürburgring.

Foto: dpa/Raoul Fornezza

Dabei sagte der Mann, dessen Gesicht von seinem schweren Feuerunfall am Nürburgring 1976 gezeichnet war, den die Ärzte bereits abgeschrieben hatten, der schon die letzte Ölung erhalten hatte, einen Satz, den ich nie wieder vergaß: „Das Schlimmste, was mir in meinem Leben passiert ist, war nicht der Unfall, sondern der Absturz eines meiner Flugzeuge.“ Ich stutzte. Dann erklärte Lauda: „Mein Nürburgring-Unfall war meine eigene Schuld. Ich habe selbst gewählt, Rennen zu fahren – das war halt die Konsequenz. Aber der Absturz hat mich fertig gemacht. Ich habe Passagiere, die sich bei mir ein Ticket gekauft haben, nicht sicher zum Zielort gebracht.“

Im Mai 1991 war eine Boeing 767 der Lauda-Air auf dem Weg von Bangkok nach Wien abgestürzt, alle 223 Menschen an Bord kamen ums Leben. Zunächst sah es aus, als hätten die Piloten Fehler gemacht. Doch Firmenchef Lauda, selbst Berufspilot, fielen Ungereimtheiten auf. Die Erklärungen von Boeing reichten ihm nicht. Und er bohrte und bohrte. „Das Mindeste, was ich für die Hinterbliebenen tun konnte, war doch, den wahren Grund für das Unglück herauszufinden“, erzählte Lauda. Der Österreicher flog zur Unfallstelle, setzte sich später selbst bei Boeing in den Simulator, stellte die Situation immer wieder nach. Und hatte einen Verdacht. Tatsächlich entdeckten die Ermittler schließlich einen Konstruktionsfehler – eine fehlerhafte Schubumkehr. Die war eigentlich dazu da, nach der Landung das Flugzeug abzubremsen, hier wurde sie aber durch den Fehler im Steigflug aktiviert. Mit katastrophalen Folgen. Boeing überarbeitete das System, Laudas Beharrlichkeit hat so mit ziemlicher Sicherheit weitere Abstürze verhindert. „Irgendwie hat der Mann da oben immer mich für die schweren Prüfungen ausgesucht“, sagte Lauda.

Überhaupt war Laudas Leben eine Achterbahnfahrt: turbulenter Aufstieg in die Formel 1, 1975 WM-Titel mit Ferrari. 1976 der Feuerunfall am Nürburgring, sechs Wochen später ein wundersames Comeback. 1977 noch ein WM-Titel. 1978 Rücktritt mitten in der Saison, weil „ich nicht mehr sinnlos im Kreis herumfahren will“, wie er damals sagte. 1982 Comeback bei McLaren. 1984 dritter WM-Titel. Karriere-Ende 1985. Aufbau mehrerer Fluglinien, der Absturz, im Jahr 2000 die feindliche Übernahme von Lauda-Air. Dazwischen Berater bei Ferrari, später Teamchef bei Jaguar und Formel-1-Experte bei RTL. 2012 wurde der Österreicher schließlich Aufsichtsratschef bei Mercedes und führte das Team zu fünf WM-Titeln in Folge.

Sein größter Sieg sei es gewesen, die Formel 1 überlebt zu haben, sagte Lauda mal. Das ist nicht übertrieben. Denn er fuhr in einer Zeit, in der der Tod bei jedem Rennen mitfuhr. Nie war klar, ob die Piloten aus den Höllenmaschinen auch noch mal lebend herauskommen würden. Die Fahrer-Frauen hatten immer auch ein schwarzes Kleid mit an der Strecke – man wusste ja nie.

Auch den Wiener hatte die Formel 1 ja gezeichnet. 1. August 1976, das Drama am Nürburgring, Bilder, die vermutlich jeder von uns schon gesehen hat. Und nicht mehr vergisst. Der Ferrari 312T2 von Lauda bricht am Streckenabschnitt Bergwerk plötzlich aus, knallt gegen eine Böschung, wird zurückgeschleudert, vom nächsten Renner gerammt, der Tank platzt – der Ferrari fängt Feuer. Ein Inferno. Eine endlos lange Minute sitzt Lauda bewusstlos im Flammenmeer, in der sengenden Gluthitze. Die Streckenposten sind hilflos, Fahrerkollege Arturo Merzario stürzt sich todesmutig in die Flammen und reißt den Österreicher aus dem Auto. Die Haare, die Kopfhaut, das halbe Gesicht und das rechte Ohr – alles ist verbrannt. Die Ärzte haben Lauda längst aufgegeben, ein Priester gibt ihm die Letzte Ölung. Doch Lauda überlebt. „Der Tod hat nach mir gegriffen“, sagt er auf seine typisch ironische Weise. „Doch er hat nur mein rechtes Ohr erwischt.“ Sechs Wochen später fährt Lauda das nächste Rennen.

Schönheitsoperationen lehnte er immer ab: „Das kostet zu viel Zeit.“ Er setzte einfach eine Kappe auf – und machte sie zum Markenzeichen und Werbeträger. Firmen zahlten Millionen, um ihren Schriftzug „aufs Kapperl“ zu drucken. Doch nicht nur äußerlich hinterließ der Unfall Spuren. Als Spätfolgen des schlimmen Unfalls musste sich Lauda zweimal einer Nierentransplantation unterziehen. Zunächst spendete ihm sein jüngerer Bruder Florian eine Niere, 2005 dann seine damalige Lebensgefährtin und spätere Frau Birgit. 2018 folgte eine Lungentransplantation.

Der Österreicher führte ein Vollgas-Leben. Auch neben der Strecke – mit Wein, Weib und Gesang. „Wir haben viel intensiver gelebt, weil wir nie wussten, wie lange wir noch leben“, sagte er. Den Titel 1976 verlor er knapp an James Hunt – weil er im entscheidenden letzten Saison-Rennen bei strömendem Regen zur Box fuhr. „Es ist zu gefährlich“, sagte er. Im Film „Rush“ wird dieser WM-Kampf 2013 verfilmt. Der US-amerikanische Regisseur hatte zuerst abgelehnt. „Die Geschichte ist zu unrealistisch“, hatte er gesagt. Dabei war sie nur ein kleiner Teil von Laudas bewegtem Leben.

Ein Leben, in dem der Protagonist eigentlich nie hätte Rennen fahren sollen. Zumindest, wenn es nach dem Willen der durchaus vermögenden Familie gegangen wäre. Die hätte lieber einen Kaufmann gesehen, bestand darauf, dass er wenigstens das Abitur machte und unterstützte ihn nie. Doch Lauda, der Schlawiner, ließ sich nicht aufhalten und ergatterte das so gerne gesehene Zeugnis. „Eine verständnisvolle junge Dame, wesentlich tüchtiger als ich, schenkte mir ihr Zeugnis. Ein zeichnerisch begabter Mitschüler sorgte dafür, dass bald der Name N. Lauda an der richtigen Stelle stand“, erzählte Lauda lachend. „Meine Familie war entzückt, ich zerriss das Papier und wandte mich nunmehr ungestört den wichtigen Dingen des Lebens zu.“

Lauda ging seinen Weg: geradlinig, kauzig-kompromisslos, gnadenlos ehrlich – und bisweilen hart zu allen und auch sich selbst. Wer Lauda etwas fragte, musste auch die ehrliche Antwort ertragen können. Das machte ihn zum begehrten Interviewpartner und über Jahrzehnte zum Gesicht der Formel 1 bei RTL. Was andere dabei von ihm hielten, war ihm immer herzlich egal.

„Irgendwann habe ich beschlossen, nicht länger über den Tod nachzudenken“, hat Lauda einmal gesagt: „Jeder Mensch stirbt irgendwann, das ist ein Fakt.“ Im Februar, zu seinem 70. Geburtstag, war er aber noch optimistisch: „Ich komme wieder. Es geht volle Pulle bergauf.“ Nun hat er es doch nicht geschafft. „Es gibt keine Todesursache. Es war ein langer Prozess, an dessen Ende der Patient gegangen ist“, erklärte sein Arzt Walter Klepetko vom Wiener Allgemeinen Krankenhaus. „Niki wird immer eine der größten Legenden unseres Sports bleiben. Er verkörperte Heldentum, Menschlichkeit und Aufrichtigkeit auf und abseits der Strecke“, sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. Die Motorsport-Welt verneigt sich. Servus, Niki.

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