Zulieferer-Streit bei VW weitet sich aus

Wolfsburg/Schönheide · Der Konflikt mit zwei Zulieferern hält nicht nur Volkswagen in Atem. Bundesregierung und Wirtschaftsverbände mahnen eine schnelle Lösung des Streits an. Die ist aber noch nicht in Sicht.

Züge mit Neufahrzeugen stehen vor dem VW-Werk in Zwickau, das auch von dem Streit betroffen ist. Foto: Schmidt/dpa

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Der beispiellose Konflikt von Volkswagen mit zwei wichtigen Zulieferern erreicht immer neue Dimensionen. Bei VW stehen angesichts eines Lieferstopps viele Bänder still, bislang sind 27 700 VW-Mitarbeiter betroffen. Allen voran steht die Golf-Produktion im Stammwerk Wolfsburg still. Auch Mitarbeiter in den Werken Emden, Zwickau, Kassel, Salzgitter und Braunschweig könnten bis Ende August nicht so arbeiten, wie es eigentlich geplant war. Der Autobauer sprach von "Flexibilisierungsmaßnahmen bis hin zu Kurzarbeit".

Autobauer und die Lieferanten rangen gestern bis in die späten Abendstunden um eine gütliche Einigung. Nach mehrstündigen Gesprächen sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person, die Gespräche verliefen "konstruktiv und vielversprechend". Es sei aber zu früh, um über Ergebnisse zu sprechen. Die Zulieferer ES Automobilguss und Car Trim, die zur Unternehmensgruppe Prevent gehören, beliefern VW derzeit nicht mit benötigten Getriebeteilen und Sitzbezügen. Die genauen Hintergründe des Konflikts sind unklar.

Nach Branchenangaben stehen hinter der Golf-Produktion rund 500 Lieferanten, die nun zunehmend in Schwierigkeiten geraten. Wegen der Montage-Engpässe bei VW könnten sie ihre Teile nicht ausliefern und müssten Bestände aufbauen. "Die Folgewirkungen für die gesamte Wertschöpfungskette sind schon heute beträchtlich", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik, Christoph Feldmann. Auch der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Niedersachsen-Metall, Volker Schmidt , sieht die Entwicklung mit Sorge: "Spätestens jetzt, da die Produktion im Stammwerk in Wolfsburg aussetzt, droht die Situation voll auf die Zuliefererketten durchzuschlagen." Aus dem Feuer dürfe kein Flächenbrand werden. Auch das Bundeswirtschaftsministerium dringt auf eine rasche Lösung. "Wir gehen davon aus und erwarten auch, dass die beteiligten Unternehmen die ungeklärten Fragen so bald wie möglich lösen können", sagte ein Sprecher in Berlin. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh attackierte die beiden Zulieferer: "Nach unserer Auffassung liegt die Verantwortung eindeutig beim Zulieferer. Oder glauben Sie, wir als Betriebsrat fragen nicht, wessen Schuld es ist, dass unsere Kollegen zu Hause bleiben müssen", sagte Osterloh der "Bild"-Zeitung. Die beteiligten Zulieferer dagegen argumentieren, VW zwinge sie zu dem Lieferstopp, da der Autobauer "frist- und grundlos" Aufträge gekündigt habe und einen finanziellen Ausgleich dafür ablehne. Der Lieferstopp geschehe zum Selbstschutz und im Kampf für die Zukunft der eigenen Mitarbeiter. Bei der Firma ES Automobilguss in Schönheide im Erzgebirge ist für heute eine Betriebsversammlung geplant. Daraus erhoffen sich Arbeitnehmervertreter Antworten auf Fragen zur Zukunft des Zulieferers. VW setzt auf eine gütliche Einigung, hat aber angekündigt, notfalls alle rechtlichen Mittel auszuschöpfen. Das Landgericht Braunschweig hatte einstweilige Verfügungen erlassen, welche die Lieferanten zur Wiederaufnahme der Belieferung verpflichten. VW könnte aber frühestens Ende dieser Woche seine Ansprüche per Gerichtsvollzieher durchsetzen und die Teile holen lassen.

Unterdessen streitet neben Volkswagen auch Daimler mit der Zulieferer-Gruppe Prevent vor Gericht. Vor dem Landgericht Braunschweig wolle der Lieferant 40 Millionen Euro Schadenersatz erstreiten, sagte ein Sprecher des Gerichts. Prevent sehe demnach Verträge von Daimler als nicht erfüllt und nicht wirksam beendet an. Am 8. November werde zunächst die Frage geklärt, welche Kammer überhaupt für das Verfahren zuständig ist.