Europäische Zentralbank l Zinsen bleiben noch länger bei null

Frankfurt · Die Europäische Zentralbank wollte eigentlich den Leitzins im Sommer anheben. Jetzt müssen sich die Sparer weiter gedulden.

 Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, senkt die Prognosen für das Wirtschaftswachstum in der Eurozone.

Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, senkt die Prognosen für das Wirtschaftswachstum in der Eurozone.

Foto: dpa/Arne Dedert

 Sparer müssen länger auf eine Zinserhöhung warten, und den Banken bietet die EZB neue Geldspritzen an: Europas Währungshüter reagieren deutlich auf gestiegene Risiken für die Konjunktur. Bislang hatte die Notenbank erklärt, dass die Zinsen bis mindestens über den Sommer 2019 hinaus unverändert bleiben. Dieser Zeitraum wurde nun verlängert bis mindestens über das Jahresende hinaus, wie die Europäische Zentralbank (EZB) gestern mitteilte.

Den Leitzins im Euroraum beließen die Währungshüter auf dem Rekordtief von null Prozent. Banken erhalten somit frisches Geld bei der Notenbank zum Nulltarif. Finanzinstitute, die bei der EZB Geld parken, müssen weiterhin 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen. Zugleich bietet die EZB Geschäftsbanken – wie in den vergangenen Krisenjahren mehrfach geschehen – langfristige Kredite zu extrem günstigen Konditionen.

Die Aussichten für die Konjunktur haben sich zuletzt deutlich verschlechtert: Internationale Handelskonflikte bremsen den Welthandel, das chinesische Wirtschaftswachstum fiel im vergangenen Jahr auf den niedrigsten Stand seit fast drei Jahrzehnten, zudem sorgen die Unwägbarkeiten des Brexit für Verunsicherung. EZB-Chef Mario Draghi sprach von einer Periode „anhaltender Schwäche und allgegenwärtiger Unsicherheit“. Die EZB korrigierte ihre Konjunkturprognose für dieses Jahr deutlich nach unten. Die Notenbank erwartet für die Euro-Zone aktuell noch ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 1,1 Prozent. Vor drei Monaten waren die EZB-Experten noch von einem Plus von 1,7 Prozent ausgegangen. EZB-Chefvolkswirt Peter Praet warnte unlängst sogar vor einer möglichen Abwärtsspirale. „Das Wirtschaftsklima in der Eurozone verändert sich fundamental und nicht nur vorübergehend.“ Draghi betonte gestern aber: „Die Wirtschaft wächst weiter.“ Die Gefahr einer Rezession, also einer schrumpfenden Wirtschaft, sei nach wie vor sehr gering.

Nach Einschätzung von Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ist die EZB „angesichts hoher ökonomischer Risiken und wachsender fiskalischer Unvernunft in wichtigen Hauptstädten der Eurozone“ nicht mehr frei in ihren Entscheidungen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warf den Währungshütern vor, es in den konjunkturell guten Jahren versäumt zu haben, die geldpolitischen Zügel zu straffen.

Für Sparer ist das anhaltende Zins­tief bei steigender Inflation bitter. Sparbuch und Co. werfen kaum noch etwas ab. Solange die Teuerungsrate nahe der Nulllinie dümpelte, glich sich das in etwa aus. Bei wieder steigenden Verbraucherpreisen verlieren Sparer unter dem Strich aber Geld. Im Gegensatz zu Sparern profitieren Bauherren, Verbraucher und Firmen von den Niedrigzinsen, wenn sie sich Geld leihen. Nach Berechnungen der unabhängigen FMH-Finanzberatung sank beispielsweise der Effektivzins für Baugeld mit zehnjähriger Laufzeit von im Schnitt 4,77 Prozent Anfang März 2008 auf 1,21 Prozent Anfang März 2019.

Im Februar lag die Jahresteuerungsrate im Euroraum nach Angaben des Statistikamtes Eurostat bei 1,5 Prozent. Die Teuerung dürfte nach Einschätzung der Zentralbank in diesem Jahr bei 1,2 Prozent liegen und damit deutlich niedriger als im Dezember vorhergesagt (1,6 Prozent). 

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