Jubiläumstreffen in Davos Weltklima- statt Weltwirtschaftsforum?

Davos · Beim 50. Jahrestreffen in Davos sucht die Wirtschaft ihren Platz. Im Mittelpunkt steht das Klima – und erneut Greta Thunberg.

 Im verschneiten Davos in den Schweizer Alpen werden in den nächsten Tagen Politiker, Manager und Aktivisten beim Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums über globale Gefahren diskutieren.

Im verschneiten Davos in den Schweizer Alpen werden in den nächsten Tagen Politiker, Manager und Aktivisten beim Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums über globale Gefahren diskutieren.

Foto: AP/Markus Schreiber

Das 50. Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums (WEF) hat noch nicht begonnen, doch der Ton ist gesetzt – und er kommt nicht vom Ausrichter. Es ist die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg, die klarmacht, was in den Schweizer Bergen passieren soll. Die Klimaaktivisten verlangen dass alle Teilnehmer, ob Unternehmen, Organisationen oder Regierungen, „unverzüglich und vollständig“ alle Investitionen in fossile Brennstoffe beenden, schreibt Thunberg im Namen der weltweiten Klimabewegung in einem offenen Brief in der britischen Zeitung Guardian. Sie selbst wird vom 21. bis 24. Januar in Davos erwartet.

Schon im Vorjahr wurde Thunberg zum Gesicht des WEF-Jahrestreffens. „Ich will, dass Ihr in Panik geratet“, denn das gemeinsame Haus Erde stehe in Flammen, hatte die heute 17-Jährige damals Teilnehmern zugerufen. Fortan stand Thunberg im Mittelpunkt der Wahrnehmung, das Time-Magazin kürte sie schließlich zur Person des Jahres 2019.

In Davos wird Thunberg aller Voraussicht nach wieder eine zentrale Rolle einnehmen. Das WEF will die Aktivistin unterstützen, sich selbst aber vor Vereinnahmung schützen. „Wir haben sie wieder eingeladen, aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht zum Werkzeug für den Hype werden, der um sie herum entstanden ist“, sagte WEF-Gründer Klaus Schwab vor kurzem der Zeitung Die Welt. „Es geht nicht um Greta allein, es geht um die Sorge einer ganzen Generation, dass wir nicht genug tun, um unsere Umwelt so zu erhalten, dass sie uns auch weiterhin Freude machen wird.“ Daher hat das WEF neun weitere Jugendliche eingeladen, die „weniger bekannt sind als Greta“, sagte Schwab.

Aus den etwa 3000 Teilnehmern ragt neben der Schwedin vor allem US-Präsident Donald Trump heraus. Dass ausgerechnet Thunberg ihm die Schau stehlen könnte, dürfte Trump ärgern. Dass sie zur „Person des Jahres“ gekürt worden war, nannte er auf Twitter „lächerlich“.

Trump bezeichnete den Klimawandel früher als „Scherz“. Davon ist er mittlerweile abgerückt, aber er bezweifelt immer noch, dass die Klimaveränderungen menschengemacht sind. Seine Regierung hat viele Umweltschutzvorschriften abgeschwächt oder ganz aufgehoben.

Das WEF allerdings signalisiert bereits mit dem Motto der 50. Jahrestagung, wie wichtig ihm die Umwelt ist. „Stakeholder für eine solidarische und nachhaltige Welt“, lautet es in der für das WEF typischen, etwas hölzernen Form. Wirtschaftsprofessor Schwab verspricht greifbare Resultate: „Das Jahrestreffen wird eine Werkstatt sein, keine Quatschbude.“ Die Vorhaben klingen riesig: Eine Milliarde Menschen will das Forum gemeinsam mit Partnern fit machen für Jobs in der digitalen Welt, außerdem bis Ende der 2020er Jahre eine Billion Bäume pflanzen.

Das WEF will aufholen. „Wir hätten den sozialen Faktoren und der Umwelt mehr Gewicht geben müssen“, räumte Schwab in einem Interview mit der Zeitschrift Bilanz ein. Wirtschaft und Gesellschaft haben sich rasant verändert, seitdem er das Davoser Treffen 1971 ins Leben gerufen hat. Dabei seien viele Menschen vergessen worden – die sich nun dem Nationalismus zuwendeten. „Das Mantra der großen Öffnung war doch vor allem ein elitäres Projekt“, so Schwab.

Zwar hat das WEF entgegen der öffentlichen Wahrnehmung stets gefordert, dass Wirtschaft und Politik zuerst dem Allgemeinwohl dienen sollen und nicht dem Einzelnen. Doch hängen blieb stets das Bild des „Davos Man“, eines reichen, weißen, mächtigen und abgehobenen Managers, der unter seinesgleichen in elitären Zirkeln nur den eigenen Profit zu mehren versucht.

Auch deshalb lädt Schwab schon seit Jahren Kritiker und Globalisierungsgegner nach Davos. In den Schweizer Alpen wurden Initiativen gestartet wie die Impfallianz Gavi, dank der seither Hunderte Millionen Kinder weltweit geimpft wurden. Solchem Engagement will das WEF mehr Aufmerksamkeit sichern. „Wir stehen für ein vernünftiges Management unserer globalen Probleme“, betonte Schwab in der „Bilanz“.

Zum Konzept gehört auch, Politiker jeder Couleur zu Wort kommen zu lassen. Schwab will nicht urteilen, kein „Leader“ soll ausgeschlossen werden. Aus der Teilnahme der Staatenlenker in den Schweizer Alpen sind in der 50-jährigen Geschichte des Treffens durchaus konkrete Abmachungen entstanden, etwa der Handschlag zwischen Israels Premier Shimon Peres und Palästinenserführer Jassir Arafat 1994.

Auch bei den jüngsten Jahrestreffen gab es viele Ankündigungen. Umgesetzt wurde davon wenig, wie langjährige Beobachter kritisieren. Beispiel Xi Jinping: Chinas Staats- und Parteichef inszenierte sich 2017 mit blumigen Worten als Kämpfer für Freihandel. Doch ausländische Konzerne klagen noch immer über hohe Hürden. Beispiel Trump: Der US-Präsident deutete 2018 in einer sehr zurückhaltenden Rede sein Interesse an Kooperationen an – seither ließ er den Handelskonflikt mit China eskalieren und fährt auch gegenüber der EU eine harte Linie.

 „Ich will, dass ihr in Panik geratet“, sagte Greta Thunberg beim 49. WEF. Auch in diesem Jahr wird sie in Davos erwartet.

„Ich will, dass ihr in Panik geratet“, sagte Greta Thunberg beim 49. WEF. Auch in diesem Jahr wird sie in Davos erwartet.

Foto: dpa/Gian Ehrenzeller

Insgesamt ist das Treffen in mehrere Themenbereiche gegliedert. Doch das Augenmerk gilt der Geopolitik – und dem Klima. „Wir wollen nicht, dass diese Dinge bis 2050, 2030 oder sogar 2021 getan werden“, schreibt Aktivistin Thunberg den Davos-Teilnehmern ins Stammbuch. „Wir wollen, dass sie jetzt erledigt werden – „jetzt“ wie in „genau jetzt“.“ Das Weltwirtschaftsforum könnte zum Weltklimaforum werden.

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