Zukunftspläne „Wir planen eine Schnittstelle zur Wirtschaft“

Der Präsident der Saar-Universität kündigt neue Leuchtturm-Projekte an, darunter den Bau eines Innovationszentrums.

 Saar-Uni-Präsident Manfred Schmitt sieht eine große Chance für die Hochschule, mit ihrer europäischen Kompetenz zu punkten.

Saar-Uni-Präsident Manfred Schmitt sieht eine große Chance für die Hochschule, mit ihrer europäischen Kompetenz zu punkten.

Foto: Rich Serra

Die Wirtschaft beklagt sich häufig, der Kontakt zur Saar-Uni und zu den dortigen Forschungsergebnissen, die man auch in den Unternehmen nutzen könnte, sei nicht eng genug. Man wisse häufig gar nicht, was die Uni macht. Wie kann man das ändern?

SCHMITT Hierzu planen wir aktuell ein Innovationszentrum in einem neuen Gebäude an der Uni. Dieses wird ein Herzstück am Campus und soll zum Treffpunkt von Gründern, Forschern, Uni-Professoren, Wissenschaftlern, Studierenden sowie der Saar-Wirtschaft werden. Wir wollen dort das gesamte Spektrum der Uni möglichst greifbar und erfahrbar machen, auch mit einem Showroom, der unsere Forschungsergebnisse für Unternehmen präsentiert. Das Konzept ist völlig neu und angelehnt an die Strategie, wie sie auch in Amerika im Silicon Valley sowie an einigen amerikanischen Universitäten verfolgt und bereits umgesetzt wird. Unser Ziel ist es, Wege an der Saar zu verkürzen. Wir wollen mit dem Innovationszentrum eine Schnittstelle zur Wirtschaft schaffen und vor allem auch einen möglichst effektiven Austausch unserer Forschungsergebnisse inklusive eines Technologietransfers mit den Unternehmen anbieten. Das Innovationszentrum wird uns einen riesigen Schritt voranbringen, zumal auch Gründer hier ihre Ideen vorstellen können.

Wie wollen Sie das Innovationszentrum auf die Beine stellen?

SCHMITT Ich sehe das als ein zentrales Infrastrukturprojekt für die Region an. Deshalb brauchen wir hierzu auch die finanzielle Unterstützung der Landesregierung, etwa aus Mitteln des Europäischen Fonds zur regionalen Entwicklung. Auch die Wirtschaft sollte sich finanziell beteiligen, denn ich denke, dass ein solches Innovationszentrum im Sinne aller im Land ist. Viele profitieren davon. Baulich können wir das Projekt in Abstimmung mit den zuständigen Landesbehörden im Rahmen der Campus-Entwicklung voraussichtlich in relativ kurzer Zeit selbst stemmen.

Die Informatik ist seit Jahren der erfolgreichste Leuchtturm der Uni. Können Sie sich vorstellen, einen weiteren Leuchtturm aufzubauen?

SCHMITT Das Präsidium und ich verfolgen diesen Weg. Um einen Leuchtturm von der Strahlkraft der Informatik zu etablieren, braucht es grundsätzlich einen langen Atem und eine stringente Vorbereitung über viele Jahre. Wir bauen hier jedoch auf das auf, was wir schon haben. Wegen unserer Verbünde und Forschungs-Stärken sehe ich ein fachübergreifendes Gebiet in den Nano- und Biowissenschaften sowie der Medizin, das eine enge Anbindung an unseren pharmazeutischen Schwerpunkt hat, konkret die Wirkstoff-Forschung. Hier geht es etwa darum, neuartige Arzneimittel und Therapien zu entwickeln, auch mit Blick auf die dramatische Zunahme von Mehrfach-Resistenzen gegen Antibiotika. Ich denke, das könnte für die Universität ein zweiter Leuchtturm mit großer Strahlkraft werden, der auch heute schon national und international stark beachtet wird. Wir würden hiermit zugleich auch die enge Verzahnung mit unseren Naturwissenschaften und der Medizin, der Pharmazie und der Bioinformatik signifikant stärken.

Was erhoffen Sie sich von einem solchen Projekt?

SCHMITT Wir haben schon fachübergreifende Forschungsverbünde erfolgreich integrieren können mit extrem vielversprechenden Ansätzen. Zudem war bereits mit der Gründung des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saar eine perspektivische Erweiterung im Verbund mit der Universität angedacht, die es nunmehr anzugehen und zu realisieren gilt. In diesem Kontext warten wir aktuell schon auf spezielle Ausschreibungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in Berlin. Da wird sicherlich auch speziell in diesem Bereich etwas kommen, aber das verzögert sich noch durch die Regierungsbildung auf Bundesebene.

Denken Sie hier an eine weitere Exzellenz-Initiative neben der Informatik?

SCHMITT Genau das. Dieser Bereich bietet enormes Potenzial. Wir berufen gerade mehrere universitäre Professuren in den Bereichen Medizin, Wirkstoff-Bioinformatik, Biowissenschaften, Biophysik, Chemie und Materialwissenschaft. Wenn es uns gelingt, diese Professuren in den angedachten Forschungsbereich zu integrieren, haben wir gute Chancen.

Wie ist der neueste Strand bei der Exzellenz-Initiative der Uni für Informatik?

SCHMITT Der Kern des beantragten Exzellenzclusters in der Informatik betrifft nahezu alle Menschen, denn fast alle Informationen weltweit sind mittlerweile digital. Die Informatiker der Uni und den beteiligten Forschungsinstituten wollen untersuchen, wie unser Alltag und die digitale Technik miteinander verschmelzen können. Wir wollen hier auf höchstem wissenschaftlichen Niveau alle digitalen Informationsketten und Prozesse abbilden. Saarbrücken soll dadurch zu einer ersten Adresse für alle Arten von digitalen Informationen werden. Wir befinden uns mit unserer Initiative in einem extrem harten bundesweiten Konkurrenzkampf, aber ich bin sehr optimistisch, dass wir mit diesem Bereich auch weiterhin in der Champions League bleiben werden.

Wann fällt die Entscheidung?

SCHMITT Wir sind in der Endphase des Exzellenz-Antrags, der bis zum 21. Februar eingereicht werden muss. Die finale Entscheidung fällt im September im Rahmen eines streng wissenschaftsgeleiteten Begutachtungs- und Auswahlverfahrens der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Wissenschaftsrates.

Muss die Universität weiterhin ein breites Studienangebot bieten, oder wäre eine stärkere Spezialisierung der bessere Weg, wie es oft auch aus der Wirtschaft gefordert wird?

SCHMITT Man muss die besondere Situation und Historie unserer Universität sehen. Wir sind steuerfinanziert wie jede Hochschule. Deshalb ist es ein berechtigtes Interesse der Landesregierung, ein bestimmtes Fächerspektrum vorzuhalten. Darin besteht auch kein grundsätzlicher Dissens. Nach meiner Auffassung sollte die Universität ein möglichst breites Angebot bieten, auch als Daseinsvorsorge für die Region. Wir müssen uns aber auch mit der Politik darüber verständigen, ob das Land dazu bereit ist, neben der Informatik einen zweiten Exzellenzbereich weiter zu entwickeln und so das Profil und die Strahlkraft der Uni weiter zu stärken. Ganz ohne finanzielle Unterstützung wird das nicht gehen. Dieser Weg darf jedoch nicht zu Lasten anderer Bereiche an der Uni beschritten werden. Eine Elite-Uni mit der Spezialisierung auf nur ein oder zwei Leuchtturmbereiche hielte ich im Saarland für den falschen Weg. So etwas würde dem Land nicht nutzen und würde auch den Standort für junge Menschen insgesamt deutlich weniger attraktiv machen.

Der französische Präsident Emmanuel Macron will an wenigen Standorten die Einrichtung von europäischen Universitäten unterstützen. Ist das für Sie ein Thema durch eine engere Kooperation mit Metz, Nancy und Luxemburg?

SCHMITT Für uns ist das die Chance überhaupt, mit unserer europäischen Kompetenz zu punkten. Wir werden uns gemeinsam mit unseren Partnern in Frankreich und Luxemburg um den Standort einer solchen europäischen Universität bewerben. Die Universität des Saarlandes ist alleine schon wegen ihrer Lage in der Großregion dazu prädestiniert, dabei eine zentrale Rolle zu übernehmen, zumal es grenzüberschreitend schon Konkurrenz gibt durch einen Universitätsverbund Straßburg-Karlsruhe-Freiburg-Basel, der zudem auch stark von den betroffenen Landesregierungen gefördert wird. Unser Verbund „Universität der Großregion“ hat heute schon ein klares Profil und insgesamt rund 135 000 Studierende. Wir bieten viele binationale und trinationale Studiengänge an. Als Leuchtturmprojekte können wir von Saarbrücken aus grenzüberschreitend beispielsweise die Materialwissenschaft, die Biomedizin und die Border Studies in eine Europa-Universität einbringen. Auch eine neue gemeinsame Europa-Fakultät könnte ich mir sehr gut vorstellen. Wir könnten uns so inmitten von Europa ein besonderes Profil und Alleinstellungsmerkmal schaffen, auch in wirtschaftspolitischen Themen. Wir arbeiten bereits an einem Konzept mit möglichen Schwerpunkten.

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