Wie Omega-3-Fettsäuren auch gewonnen werden können Algen-Karambolage ersetzt Fischöl

Überherrn · Im Saarland wurde ein Verfahren zur Serienreife gebracht, um aus Pflanzen Omega-3-Fettsäuren zu gewinnen.

 Algen-Vermehrung im Labor – beobachtet von Bernd Baumstümmler (Instillo), Franz-Josef Major, Ferdinand Bierbrauer (Algae-SL) und Daniel Müller (My-Biotech, v.l.).

Algen-Vermehrung im Labor – beobachtet von Bernd Baumstümmler (Instillo), Franz-Josef Major, Ferdinand Bierbrauer (Algae-SL) und Daniel Müller (My-Biotech, v.l.).

Foto: Ruppenthal

Aus Algen-Einzellern statt aus Fischöl wertvolle Omga-3-Fettsäuren herauszufiltern – das ist der Ehrgeiz der Merziger Firma Algae-SL. Sie beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit der Algenzucht und bietet etliche Nahrungsergänzungsmittel rund um die vielseitige Wasserpflanze an. „Wir haben Algen-Einzeller gezüchtet, die diese hochwertigen Fettsäuren enthalten“, erzählt Franz-Josef Major, Technik-Chef von Algae-SL. „Diesen Prozess haben wir im Griff“, sagt er. Bei der Entwicklungsfirma Weber in Aschaffenburg „vermehren sich unsere Algen bereits in fünf Becken, die zusammen 10 000 Liter fassen.“ In diesen Becken „sind die biologischen Voraussetzungen sehr gut, so dass sich die Algen-Zellen in rascher Folge teilen“, sagt Major.

Um an die Fettsäuren der Algen zu kommen, bedient sich Algae-SL einer Technik, die ebenfalls aus dem Saarland stammt. Hierbei handelt es sich den so genannte Micro-Jet Reactor (MJR). Obwohl dieser nur drei Zentimeter groß ist und aussieht wie das Verbindungsstück einer Wasser- oder Hydraulik-Leitung, kann er in seinem Innern einiges verrühren und so miteinander reagieren lassen, dass Neues daraus entsteht. „Der Reaktor ist hervorragend dafür geeignet, gewünschte chemische Reaktionen – vor allem im Mikro- und Nanobereich – gezielt auszulösen und den Prozess zu steuern“, sagt Bernd Baumstümmler, geschäftsführender Gesellschafter der Überherrner Instillo Group. Der Reaktor ist der technologische Kern von Instillo, und Baumstümmler hält ständig Ausschau nach Anwendungsmöglichkeiten für die patentierte MJR-Technologie. Das macht er seit 2010. Seitdem ist Instillo unter anderem im Pharma- oder im Kosmetik-Bereich fündig geworden. Mit Wissenschaftlern und Verfahrens-Tüftlern, die im Mini-Reaktor die Lösung ihrer technischen Probleme sehen, gründet er Firmen, an denen sich Instillo beteiligt.

Jüngstes Beispiel ist das Unternehmen My-Biotech, an dem Instillo seit knapp zwei Jahren Anteile hält. My-Biotech ist unter anderem darauf spezialisiert, aus Einzeller-Algen Omga-3-Fettsäuren herzustellen. Enger Netzwerkpartner bei diesem Verfahren ist die Algae-SL, Denn es hat sich herausgestellt, dass der MJR „hervorragend dazu geeignet ist, die Omega-3-Säure aus den Algen zu lösen“, sagt Algae-SL-Geschäftsführer Ferdinand Bierbrauer. In dem Mini-Reaktor werden die Zell-Algen mit hoher Geschwindigkeit – 150 Meter pro Sekunde – gegeneinander geschossen. Infolge dieses Beschusses wird die Säure freigesetzt. Dies geschieht in den Becken der Firma Weber in Aschaffenburg. Die Becken sind mit grüner Algensuppe gefüllt und mit mehreren Mini-Reaktoren bestückt. Jeder MJR schafft einen Durchlauf von 600 Liter pro Stunde. Die Säure wird mithilfe eines Lösungsmittels gebunden. „Doch nicht nur Omega-3-Fettsäuren werden so gewonnen, sondern auch die Protein- und Vitamin-Bestandteile der Algen“, erläutert Algae-SL-Chef Bierbrauer.

My-Biotech selbst verfügt noch über eine zweite Möglichkeit, um an die begehrte Säure zu kommen. „Das sind so genannte Myxobakterien, die in Hefestämme eingepflanzt werden und diese so verändern, dass sie Omega-3-Fettsäuren herstellen können“, erläutert Daniel Müller, Geschäftsführer von My-Biotech. Genau wie die Algen kollidieren auch die Hefestämme im Mini-Reaktor miteinander und setzen so die Säure frei. Um Kontakt mit der Wissenschaft zu halten, hat das Unternehmen zudem eine Partnerschaft mit dem Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) an der Universität und dessen Leiter Professor Rolf Müller. Dieser erforscht seit langem schon die Welt der Myxobakterien.

 Der Micro-Jet Reactor (MJR) – kleines Teil mit großer Wirkung.

Der Micro-Jet Reactor (MJR) – kleines Teil mit großer Wirkung.

Foto: Instillo

Beide Verfahren zur Gewinnung von Omega-3-Fettsäuren „sind serienreif“, versichern sowohl der Instillo-Chef als auch die Vertreter von Algae-SL und My-Biotec. Sie könnten in großem Stil produziert werden. Um diesen Schritt gehen zu können, suchen sie private Kapitalgeber, „die an unser Konzept glauben“. Zumal das Verfahren der Säure-Gewinnung sehr umweltfreundlich sei. Normalerweise würden diese aus Fischöl von Makrelen oder kleinen Tiefsee-Krebstieren, dem so genannten Krill, gewonnen. „Für unsere Säuren müssen jedoch keine Fangschiffe ausschwärmen.“

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