Autoindustrie Weiter große Lücke bei Sprit-Verbrauchswerten

Berlin/Brüssel · Der Unterschied zwischen angeblichem und realem Spritverbrauch ist extrem: Über 40 Prozent beträgt der Mehrverbrauch. Das ist teuer für die Besitzer.

 Bei Mercedes-Benz in Sindelfingen können die Fahrzeuge schon nach dem neuen WLTP-System getestet werden.

Bei Mercedes-Benz in Sindelfingen können die Fahrzeuge schon nach dem neuen WLTP-System getestet werden.

Foto: dpa/Marijan Murat

() Neuwagen in Europa verbrauchen einer Studie zufolge immer noch viel mehr Sprit als von den Herstellern angegeben. Demnach liegt der reale Kraftstoffverbrauch neuer Pkw im Durchschnitt um 42 Prozent höher als im Testbetrieb. Das ist das Ergebnis einer Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT). Bereits vor einem Jahr waren die Forscher in einer Untersuchung zu demselben Ergebnis gekommen. Umweltverbände reagierten mit scharfer Kritik an den Autoherstellern.

Der höhere Verbrauch bedeute nicht nur eine stärkere Belastung der Umwelt etwa durch mehr CO2-Ausstoß, sondern auch Mehrkosten für die Autofahrer für Sprit von rund 400 Euro pro Jahr. Noch vor zehn Jahren betrug die Differenz zwischen dem von den Herstellern veröffentlichten und dem real gemessenen Verbrauch nur etwa 15 Prozent, wurde ICCT-Europa-Geschäftsführer Peter Mock zitiert.

ICCT ist eine unabhängige Forschungsorganisation, die vor zwei Jahren den VW-Diesel-Skandal in den USA mit aufgedeckt hatte. Dabei ging es um den Ausstoß gesundheitsschädlicher Stickoxide (NOx). Auch dabei gibt es immer wieder Berichte über Abweichungen der Werte zwischen Test- und realem Fahrbetrieb. So ist laut einer Anfang September vorgestellten ICCT-Untersuchung nur jeder zehnte moderne Diesel der Abgasnorm Euro 6 im Alltag auf der Straße so sauber wie auf dem Papier und bei Tests im Labor. Die Autohersteller betonen aber, dass die Diesel der neuesten Generation sauber seien.

Morgen soll die EU-Kommission eigentlich neue Vorschläge zur Verschärfung der zulässigen CO2-Werte machen. Dabei soll es um Vorgaben für die Jahre 2021 bis 2030 gehen, erwartet werden deutliche Reduzierungen. Als Flottenzielwerte für Neufahrzeuge hat die EU bereits 95 Gramm pro Kilometer für das Jahr 2021 festgelegt.

Um diese Ziele zu erreichen, ist für die Hersteller vor allem der Diesel wichtig, da Dieselautos bei vergleichbarer Motorleistung weniger CO2 ausstoßen als Benziner. Angesichts des Diesel-Abgas­skandals und drohender Fahrverbote in Innenstädten sinkt aber der Diesel-Marktanteil bei Neuwagen.

Für die Verbrauchsmessungen im Labor gilt seit September das neue Testverfahren WLTP. Die ICCT-Forscher erwarten, dass WLTP die realen Fahrbedingungen genauer widerspiegelt. Es gebe aber auch beim neuen Ansatz „Schlupflöcher“, sagte Mock. Notwendig seien Straßentests unter realen Fahrbedingungen.

Umweltverbände nutzten die neue Untersuchung zu scharfer Kritik an der Autoindustrie. „Die Spritverbrauchslüge der Autoindustrie wird immer offenkundiger“, sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Der Verkehrsexperte des Verkehrsclubs VCD, Michael Müller-Görnert, kritisierte: „Seit Jahren betrügen die Automobilhersteller ihre Kunden beim Spritverbrauch.“

Die grüne EU-Abgeordnete Rebecca Harms sagte, es sei seit Jahren bekannt, dass die Hersteller „sehr viel Erfindungsgeist“ entwickeln, um ihre Wagen für den Testbetrieb statt für die Straße zu optimieren. Das Problem werde leider auch durch WLTP nicht vollständig gelöst. Die EU-Kommission könne das Problem nicht länger verleugnen.

Greg Archer von der Umweltorganisation Transport & Environment forderte die EU-Kommission auf, ehrgeizige Vorschläge zu machen – auch mit Blick auf die laufende internationale Klimakonferenz in Bonn. „Wenn Vizepräsident Sefcovic und Kommissar Cañete es ernst mit der Senkung der CO2-Emissionen aus dem Verkehr meinen, sollten sie eine Minderung des Ausstoßes bei neuen Autos um 45 Prozent von 2020 bis 2030 sowie ein verpflichtendes Ziel für Null-Emissions-Fahrzeuge anstreben“, sagte Archer.

(dpa)
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