Milliarden für die E-Mobilität VW startet die Elektro-Ära in Zwickau

Zwickau · Volkswagen pumpt Milliarden Euro in die E-Mobilität, Millionen Autos sollen bald elektrisch unterwegs sein. Gestern ist in Sachsen die Produktion des ID angelaufen.

 Kanzlerin Angela Merkel, hier mit VW-Konzernchef Herbert Diess (l.) und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU, r.), lässt sich erklären, wie ein neues E-Auto gebaut wird.

Kanzlerin Angela Merkel, hier mit VW-Konzernchef Herbert Diess (l.) und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU, r.), lässt sich erklären, wie ein neues E-Auto gebaut wird.

Foto: dpa/Jens Büttner

Die Zukunft beginnt in Sachsen. Lange musste sich Volkswagen den Vorwurf anhören, den Wandel zur Elektromobilität eher auszubremsen denn zu beschleunigen. Nun will der weltgrößte Autobauer klotzen statt kleckern – und hat seine erste E-Großserie gestartet. Zwickau heißt der Ort, an dem die wichtigste Umwälzung der jüngeren Konzerngeschichte ihren Ausgang nimmt. Zwei Buchstaben stehen für das Projekt, das für viele Beobachter überfällig, aber auch nicht ohne Risiko ist: ID. Der erste Vertreter der Modellfamilie, ID.3, wird seit dem gestrigen Montag hier produziert. „Wir rüsten zum ersten Mal eine große Autofabrik komplett auf Elektro um“, sagt Vorstandschef Herbert Diess. Thomas Ulbrich, Vorstand E-Mobilität der Marke VW, spricht von einem „Systemwechsel, der sich über die nächsten ein bis zwei Jahrzehnte vollziehen wird“.

Angela Merkel glaubt, dass der Umstieg gelingen kann. „Zwickau wird ein Eckpfeiler der deutschen Autoindustrie sein“, sagt die Kanzlerin vor der Belegschaft. In Halle 5, wo unter anderem Scheinwerfer und Rückleuchten angebracht werden, wirft sie dann einen Blick in die Montage, spricht mit Mitarbeitern. Im Schlepptau: Diess und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Montageleiter Holger Hollmann berichtet: „Wir fangen sachte an, mit derzeit sechs ID.3 pro Tag.“

Systemwechsel ist ein gewichtiges Wort. Im Fall des ID.3 scheint der Begriff jedoch angebracht. Bisher sind E-Autos größerer Reichweiten für viele Verbraucher noch ein teures – und wegen des lückenhaften Ladenetzes unpraktisches – Luxusprodukt. Der neue Elektro-VW zielt als Kompaktwagen mit einem Einstiegspreis von unter 30 000 Euro und Batterievarianten für bis zu 550 Kilometer aufs Massenpublikum.

Entscheidend ist der ID.3 für den Konzern auch noch aus einem anderen Grund: Das Auto basiert auf dem Modularen Elektrobaukasten (MEB). Die Technologie, die durch Nutzung vieler Gleichteile auch Kosten spart, soll in den nächsten drei Jahren bei insgesamt 33 Modellanläufen verwendet werden – von Kompaktwagen über SUVs bis zu Limousinen.

Das alles kostet viel Geld, das wieder eingespielt werden muss. Insgesamt steckt VW bis 2023 mehr als 30 Milliarden Euro in die Elektrifizierung, weitere 14 Milliarden fließen in die Vernetzung und Assistenzsysteme. Nach Zwickau werden Emden und Hannover sowie teils Standorte in China und den USA zum MEB umgerüstet. Batteriesysteme und Antriebe kommen aus den eigenen Zulieferwerken Braunschweig und Kassel. Und in Salzgitter baut VW ab dem kommenden Jahr mit dem schwedischen Partner Northvolt eine Fabrik für eigene Batteriezellen.

Doch so ehrgeizig der Start der ID-Reihe ist: Es gibt Unwägbarkeiten. Neben dem unklaren Nachfragevolumen muss VW weiter finanzielle Lasten aus „Dieselgate“ verdauen, auch wenn zuletzt erneut ein deutliches Gewinnplus übrig blieb. Und die Verlagerung von immer mehr Jobs vom Verbrennungsmotor zu den weniger arbeitsintensiven E-Antrieben ist das Zukunftsthema schlechthin für Betriebsräte und Gewerkschaften. In Zwickau werden alle 8000 Mitarbeiter geschult. Der Betriebsrat steht insgesamt hinter der E-Offensive. 

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