Aus für Kohlemeiler VSE will Kraftwerk Ensdorf dichtmachen

Ensdorf/Saarbrücken · Der Kohlemeiler soll nur noch ein halbes Jahr Strom liefern. Knapp 100 Mitarbeiter sind von der Schließung betroffen.

 Aus dem Kühlturm des Kraftwerks Ensdorf wird wohl nur noch bis Jahresende Wasserdampf quellen.

Aus dem Kühlturm des Kraftwerks Ensdorf wird wohl nur noch bis Jahresende Wasserdampf quellen.

Foto: rup/Rolf Ruppenthal

Die mehr als 50-jährige Geschichte des Steinkohlekraftwerkes Ensdorf geht bald zu Ende. „Die VSE hat nach intensiver Prüfung entscheiden müssen, die beiden Blöcke des Kraftwerkes Ensdorf zum 1. Januar 2018 stillzulegen“, sagte VSE-Vorstand Gabriël Clemens am Mittwoch. Knapp 100 Mitarbeiter sind von der Entscheidung betroffen. Auslöser für den Beschluss: Die  Saarstahl AG und die Saarschmiede GmbH haben ihre  Pachtverträge  mit der VSE zum Jahresende gekündigt. Die Stahlfirmen hatten vor sechs Jahren den Block 3 des Kraftwerks, der 300 Megawatt leistet, gepachtet, der Betrieb wurde von der VSE weiter betreut. Der Block 1 mit 160 Megawatt läuft komplett unter VSE-Regie. Die Vereinbarung der saarländischen Unternehmen sicherte den Betrieb des Kraftwerks – zumindest für einige Jahre. Denn schon damals drohte das Aus. Nachdem der Energieriese RWE 2007 mit seinen Plänen für den Neubau eines Großkraftwerks mit 1600 Megawatt Leistung am Widerstand der Bürger gescheitert war, fehlte dem in die Jahre gekommenen Kraftwerk eine Perspektive.

Die Kündigung der Pachtverträge hatte sich seit einiger Zeit abgezeichnet. Saarstahl-Technik-Vorstand Martin Baues hatte im April angekündigt zu prüfen, ob das Stahlunternehmen seinen Strom künftig nicht billiger aus anderen Quellen beziehen kann. Das Ergebnis steht nun fest: Die Eigenstromerzeugung im  Ensdorfer Kraftwerk ist den Stahlunternehmen zu teuer. „Der Strombezug aus dem öffentlichen Netz stellt mittel- und langfristig die deutlich wirtschaftlichere Lösung dar“, teilten Saarstahl und Saarschmiede mit. Die Energie werde künftig an der Strombörse eingekauft. Ein weiterer Grund für die Kündigung „ergibt sich durch die Kosten, die eine Weiterführung des Kraftwerks mit sich bringt“, sagte Baues am Mittwoch. Jahr für Jahr müsste erheblich in die seit über 50 Jahren betriebene Anlage investiert werden. Und „diese Kosten sind in Relation mit einer noch dazu für die Zukunft begrenzten Laufzeit zu bringen“, sagte Baues.  

Vor wenigen Wochen hatte Clemens noch Hoffnung gemacht, das Kraftwerk trotz eines Ausstiegs der Partner am Netz zu halten. „Wir werden sehr genau rechnen, ob es sich nicht auch für uns alleine lohnen würde, das Kraftwerk weiter zu betreiben“, hatte er gesagt. Doch letztlich hat der VSE-Vorstand keinen Spielraum mehr gesehen. Infolge des Ausstiegs von Saarstahl und Saarschmiede „sind wir weit von der Wirtschaftlichkeit entfernt“, sagte Clemens. „Selbst wenn der Strompreis um ein Drittel höher läge, wären wir nicht wirtschaftlich“.

Der Versorger VSE hatte sich auf den Fall vorbereitet, allein dazustehen. Die Mitarbeiter sollten „nicht ins Bergfreie fallen“, hatte Clemens gesagt. Ein Sozialplan sei kürzlich – schon vor der Kündigung – vereinbart worden. Demnach werden 36 Beschäftigte frühpensioniert, 30 weitere erhalten andere Aufgaben in der VSE-Gruppe. Für 13 Mitarbeiter sei weder das eine noch das andere möglich gewesen, sagte Clemens. Sie sollen eine Abfindung erhalten und Unterstützung bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz. Die Verträge von zwölf befristet Beschäftigten laufen aus.

Die Bundesnetzagentur muss die Stilllegung allerdings noch genehmigen. Der Antrag sei am Mittwoch abgeschickt worden, sagte Clemens. Er sieht kaum Chancen, dass noch Jobs erhalten bleiben, weil die Bundesnetzagentur das Steinkohlekraftwerk Ensdorf als systemrelevant für das Stromnetz einstufen könnte. Das war bei den Kraftwerken in Bexbach und Quierschied-Weiher geschehen, die der Betreiber Steag stilllegen wollte.  Diese Anlagen seien deutlich größer und jünger als die Anlage in Ensdorf, sagte Clemens. Und auch die Lage im Netz sei eine andere. Sie seien weiter vom Atommeiler Cattenom entfernt. Der VSE-Vorstand rechnet also offenbar damit, dass die Bundesnetzagentur die Stilllegung bewilligt. Zwölf Monate habe die Behörde  dafür Zeit. Clemens hofft, dass „es wie bei der Steag schneller geht“.

Er hat bereits die weitere Zukunft des Standorts im Blick. Die insgesamt 53 Hektar große Fläche soll als Industrie- und Gewerbefläche weiterentwickelt und ein Energie- und Ressourcenzentrum (ERZ) werden. Das hatte die VSE vor einigen Monaten angekündigt, dabei aber zunächst die freien Flächen abseits des Kraftwerks gemeint. Die Voraussetzungen für die Neuausrichtung seien gut: Das Areal liege nahe an einer Autobahn, habe einen Gleis- und Hafenanschluss, Büroräume, Labore und Werkstätten sowie eine hervorragende Breitband-Versorgung, sagte Clemens. Die erste Leitinvestition steht seit längerem fest. So will der Entsorgungsverband Saar (EVS) bis 2021 auf dem Gelände ein Biomasse-Zentrum errichten.

Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) bedauerte zwar die Kraftwerksschließung. Sie sieht in der Entscheidung aber wegen der Pläne für die Folgenutzung auch eine „neue Chance für die Region“. Der bisherige Kraftwerksstandort könne sich zu einem Energie-Modellstandort entwickeln.

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