Von der Magie des (Über-)Lebens

Saarbrücken · Der 1972 in Saarbrücken geborene Emanuel Bergmann geht mit seinem Debüt „Der Trick“ das Wagnis ein, den Topos Auschwitz auf eine den Respekt vor dem Geschehen neu interpretierende Weise fiktional aufzubereiten.

Ein Roman aus der Zirkuswelt, dem Medium der Zauberei und Magie, führt die Leser an die Abgründe des 20. Jahrhunderts. Emanuel Bergmanns Roman "Der Trick" handelt von zwei jüdischen Jungen. Der eine, Moshe Goldenhirsch, ist kurz nach dem Ersten Weltkrieg in Prag als Sohn eines armen Rabbiners geboren. Der andere, Max Cohn, kommt kurz vorm Ende dieses in vieler Hinsicht furchtbaren Jahrhunderts in Los Angeles zur Welt. Beide werden sich begegnen und auf dem Weg dorthin, meistens im Artisten- und Zirkusmilieu, erzählt der Autor - eher en passant - die Mordgeschichte der Vernichtung der europäischen Juden.

Moshe Goldenhirsch schließt sich im Jahre 1934, nachdem seine Mutter verstorben ist und er sich mit seinem Vater nicht versteht, als Heranwachsender einem Zirkus an, rückt von zu Hause aus, folgt den Artisten nach Deutschland - ausgerechnet! Er bekommt den Artistennamen Zabbatini, wird im Zirkus und später auch in der administrativen Öffentlichkeit zu einem persischen Prinzen befördert, gehört damit zu den Ariern. Nach ein paar Jahren macht er sich mit einer Ur-Berlinerin als Assistentin selbstständig, feiert im legendären "Wintergarten" Triumphe. Er kommt zu Wohlstand. Als er eines Tages kurz vor dem Zweiten Weltkrieg von zwei SS-Männern aus seiner Wohnung in der vornehmen Fasanenstraße abgeholt wird - "da unten wartet jemand auf Sie" - ahnt der Leser Fürchterliches und wird mit einem literarischen Slapstick überrascht. Das Befürchtete ereilt den so gut Getarnten dann aber vier Jahre später. Aus Eifersucht wegen seiner Assistentin hat ihn der frühere Zirkusdirektor an die Gestapo verraten. Es folgen Theresienstadt und Auschwitz, die Rettung eines kleinen Mädchens durch Zabbatinis oft zum Vergnügen des Publikums aufgeführten Koffertrick und - nach Auschwitz - eine mäßige Karriere in Amerika.

Der andere jüdische Junge, Max Cohn, stößt auf eine von Zabbatini zu Werbezwecken besprochene Schallplatte mit dem "Liebeszauber". Die Eltern des Jungen wollen sich scheiden lassen. Max spürt Zabbatini in der Absicht auf, mit dessen Zauberkunststück seine Eltern wieder zusammenzubringen. In kleinen, sich abwechselnden Kapiteln führt Bergmann die Geschichte des alten Zabbatini, geborener Mosche Goldenhirsch, und das Bemühen des Kindes Max Cohn um Harmonie im Elternhaus zu einem Happy End vor dem Hintergrund von Auschwitz zusammen. Vieles ist überraschend an diesem Roman, alles aber plausibel. Der Autor erzählt mit viel Humor und Ernst, er lässt den Leser eine große Liebe und den unter der Folter erzwungenen Verrat an ihr miterleben. Er handelt von der Verteidigung der Würde eines abgehalfterten alten Zirkuszauberers, von den Nöten eines von seinen Eltern verlassenen Jungen. Der junge Autor baut in seinem Debüt dramaturgisch gekonnt Elemente der Spannung ein, ob in Prag oder in Berlin, auf der Rampe in Auschwitz oder in Los Angeles. Wenn er das alles sowohl unterhaltsam als auch erschütternd darbietet, dann beglaubigt er mit diesem sensationellen Roman seine Verantwortung im Umgang mit dem Topos der Shoah.

Am Ende passt alles zusammen, ganz ohne Kitsch und Sentimentalität sondern mit der Chuzpe und einem zuweilen märchenhaften Ton, die den ganzen Roman auszeichnen. Er wird auch international seinen Weg auf die Bestsellerlisten antreten.

Emanuel Bergmann: Der Trick. Diogenes, 396 Seiten, 22 €

Lesung am 11. März, 19 Uhr, im Saarbrücker Theater im Viertel.

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