Opel-Technikzentrum Vom Zukunftslabor zum Sanierungsfall

Rüsselsheim/Paris · Dem Autohersteller Opel droht der Verlust des wichtigen Entwicklungszentrums. Der Betriebsrat war nicht informiert.

 Im Opel-Entwicklungszentrum werden unter anderem neue Treibstoff- und Antriebstechniken getestet.

Im Opel-Entwicklungszentrum werden unter anderem neue Treibstoff- und Antriebstechniken getestet.

Foto: dpa/Opel

(dpa) Nur drei Wochen ist es her, da strahlten die Ingenieure von Opel noch vor Optimismus. Nach einer langen Zeit der Unsicherheit schien die Zukunft des Internationalen Technischen Entwicklungszentrums (ITEZ) gesichert. Opel hatte extra Journalisten und Finanzanalysten aus ganz Europa in den Stammsitz nach Rüsselsheim einfliegen lassen, um ihnen zwischen Buffet und Kaffeepause stolz die neue Rolle des ITEZ in der französischen PSA-Gruppe zu präsentieren.

„Die Kompetenzen des Entwicklungszentrums sind innerhalb der gesamten PSA-Gruppe anerkannt“, verkündete Opel-Chef Michael Lohscheller. Und Entwicklungschef Christian Müller ergänzte: „Ich kann garantieren, dass die DNA von Opel gesichert bleibt“. Beachtlich sei, welche weitreichenden Zugeständnisse die Opelaner den Franzosen abgerungen hätten, sagte ein Ingenieur. Und weil alles so beachtlich sei, wiederholten die Rüsselsheimer ihre Botschaft gleich dreimal: vor der deutschen Presse, vor der ausländischen Presse und vor den eigenen Mitarbeitern.

Und dann kommt der Bericht der französischen Tageszeitung „Le Monde“: Opel wolle sich von Kernabteilungen des ITEZ trennen. Fahrzeug-, Antriebs-, Werkzeugent­wicklung verkaufen an einen Ingenieurdienstleister, ein Viertel bis zur Hälfte der Belegschaft könnten betroffen sein. Die Verhandlungen seien bereits fortgeschritten. Als die französischen Journalisten den Chef des Opel-Betriebsrats, Wolfgang Schäfer-Klug, kontaktieren, fällt dieser aus allen Wolken.

Zwar habe das Opel-Management in den Verhandlungen über den Personalabbau auch die Absicht geäußert, „strategische Partnerschaften“ mit externen Firmen in der Entwicklung zu planen. Das habe der Betriebsrat aber immer abgelehnt. „Wenn jetzt die Information der französischen Presse der Wahrheit entsprechen sollte, würde dies bedeuten, dass PSA und das Opel-Management sich seit längerem in Verkaufsgesprächen befinden“ – und „wissentlich die Unwahrheit gesagt haben“.

Das wäre ein Affront – und das, nachdem sich die hitzigen Diskussionen zwischen Arbeitnehmern und Management erst kürzlich wieder entspannt hatten. Über Monate stritten die Betriebsräte mit dem neuen Eigentümer PSA über den Sanierungsplan des seit Jahren verlustreichen Autobauers, rangen um Produktionszusagen für jedes einzelne Werk. Die Mitarbeiter protestierten, die Politik schaltete sich ein, Erinnerungen an die Opel-Rettung Ende 2009 kamen hoch.

Ende Mai verkündeten Lohscheller und Schäfer-Klug einen Kompromiss, dass 3700 der vormals 19 000 deutschen Arbeitsplätze wegfallen sollen. Die Betroffenen gehen freiwillig mit Abfindung. Die übrigen Arbeitsplätze sind bis Juli 2023 vor betriebsbedingten Kündigungen sicher.

Diese Zusage könnte PSA umgehen, indem es einen Großteil seiner Ingenieure auslagert. Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen vermutet, dass PSA diesen Schritt schon seit der Opel-Übernahme vom US-Konzern General Motors im vergangenen August plant. Und: „Man muss davon ausgehen, dass dies nicht die letzte Aktion zur Profitabilitätsverbesserung sein wird“, sagt er.

Bislang beschäftigen noch Aufträge des alten Eigentümers GM die Opel-Ingenieure. Das werde in den kommenden Jahren allerdings drastisch abnehmen, erklärte Opel-Chef Lohscheller gestern, nachdem die Gerüchte um fortgeschrittene Verkaufsverhandlung publik geworden sind. Offenbar ist das ITEZ doch nicht so nachhaltig und erfolgreich aufgestellt, wie Opel noch vor drei Wochen den Eindruck vermittelt hatte.

(dpa)
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