Firmengründung Vom Flüchtling zum Unternehmer

Saarbrücken · Ein Saarbrücker HTW-Institut hilft Migranten auf dem Weg zu einer eigenen Firma. Die Berater sind von den Geschäftsideen beeindruckt.

 Hussein Al-Ezzi und Avesta Isso arbeiten am Konzept für ihre jeweiligen Gründungsideen.

Hussein Al-Ezzi und Avesta Isso arbeiten am Konzept für ihre jeweiligen Gründungsideen.

Foto: Barbara Scherer

Hussein Al-Ezzi hat sein Ziel klar vor Augen: Er will deutsche Medizintechnik in die Länder der sogenannten Mena-Region, also des Nahen Ostens und Nordafrikas, exportieren. „Es gibt dort rund 20 Länder mit 400 Millionen Einwohnern“, erläutert der 28-Jährige, „und die haben einen hohen Bedarf an medizinisch-technischen Produkten.“ Derzeit gebe es in Deutschland rund 12 500 Unternehmen, die solche Produkte, Geräte und Instrumente weltweit liefern, sagt er. Doch nur 3,5 Prozent dieser Exporte gingen in die Mena-Region. Hindernisse für Geschäftsbeziehungen seien zum Beispiel Kultur- und Sprachbarrie­ren genauso wie fehlende Kenntnisse über rechtliche Rahmenbedingungen.

Hier will Al-Ezzi helfen und besonders kleine Unternehmen unterstützen. Er ist in Saudi-Arabien geboren und dort aufgewachsen, hat in seiner Heimat, dem Jemen, ein Jahr Medizin studiert. Dann ging es „wegen der Sicherheitslage“ für ihn nach Deutschland. Hier lebt er seit sieben Jahren, hat an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Biomedizinische Technik studiert. Und nun will er seinen Traum von der Selbstständigkeit wahr machen und ein eigenes Unternehmen gründen.

Damit dies gelingt, hat er sich professionelle Hilfe geholt: Al-Ezzi nimmt seit September am Projekt „Perspektive Neustart“ der Fitt ­gGmbh­ teil. Das einjährige Programm richtet sich an Menschen mit Fluchthintergrund, die sich in Deutschland selbstständig machen wollen, erläutert Stefanie Valcic-Manstein vom IQ-Gründungsbüro bei Fitt. Die gemeinnützige GmbH ist ein Institut für Technologietransfer an der Saarbrücker HTW. Insgesamt elf Menschen, hauptsächlich aus Syrien, nehmen an dem Programm teil, das von der Schöpflin-Stiftung gefördert wird. „Bis auf eine Person kamen alle mit einer konkreten Idee“, erläutert Valcic-Manstein. Viele wollen sich, so wie Al-Ezzi, im Bereich Import oder Export versuchen, andere in der Gastronomie, im Verkauf oder im Eventmarketing. „Teilweise sind es sehr herausfordernde Ideen“, befindet die Gründungsexpertin, „aber es gibt nichts, wo wir sagen: Das geht nicht.“

Drei Mal pro Woche besuchen die Teilnehmer den Unterricht, der sich aus Seminaren, Workshops und Exkursionen im Netzwerk der Saarland-Offensive für Gründer zusammensetzt. Eine Deutschlehrerin bereitet die Inhalte zusätzlich auf. „Man kann in Deutschland nur selbstständig sein, wenn man ausreichend Deutsch kann“, betont Valcic-Manstein. Deshalb findet in Saarbrücken der Unterricht – im Gegensatz zu Parallelprojekten in anderen Städten – ausschließlich in deutscher Sprache statt. Der Schwerpunkt liege dabei auf gründungsbezogenem Deutsch.

Neben der Sprache ist es wichtig, dass die zukünftigen Gründer die Gesetze und Regeln in Deutschland kennenlernen. Denn diese sind teilweise völlig anders als in den jeweiligen Heimatländern. Avesta Isso, einer Teilnehmerin aus Syrien, hat der bisherige Unterricht nach ihren Worten bereits viel gebracht. „Was ich vorher nicht wusste, ist zum Beispiel, dass ich meinen Namen schützen lassen kann“, sagt die 27-Jährige. Für sie ist der Namensschutz ein wichtiges Thema: Denn sie will eine eigene Modemarke gründen, die ihren Namen tragen soll.

„Ich habe Designer verschiedener Nationalitäten“, erläutert die junge Frau, die Englische Literatur studiert und danach für Unternehmen in mehreren Ländern gearbeitet hat. Mit der Kombination von Mode aus dem Nahen Osten und aus Europa will sie verschiedene Geschmäcker erreichen. Die Produktion soll in China, in der Türkei und – wenn möglich – im syrischen Latakia aufgebaut werden. Der Verkauf soll über das Internet erfolgen. Auch ein Geschäft in Saarbrücken kann sie sich vorstellen. Für die Bewerbung ihrer Mode will sie ihre Kontakte, zum Beispiel zu einer Sängerin in Dubai, genauso nutzen wie die sozialen Medien.

Doch was ihr derzeit neben Kenntnissen fehlt, ist Geld. Für den Start benötigt sie nach ihrer Schätzung etwa 40 000 Euro. Da die Projekt-Teilnehmer meist nur einen befristeten Aufenthaltsstatus haben, sei es schwierig, Kredite über Banken zu bekommen, erläutert Valcic-Manstein. Eine Möglichkeit hierfür sei es, einen Mitgründer mit Niederlassungserlaubnis zu finden – oder Investoren, beispielsweise über Crowdfunding, also eine Finanzierung über das Internet durch eine große Gruppe von Menschen.

Auch Al-Ezzi sucht Investoren und Kooperationspartner. Um sein Unternehmen zu starten, benötigt er etwa 60 000 Euro. Er ist optimistisch: „Wenn man nur einen Kunden hat, wird sich diese Investition lohnen.“

Optimistisch ist auch Valcic-Manstein: „Manche werden während des Projekts gründen, andere werden so weit kommen, dass sie wissen, was die nächsten Schritte sind.“ Es sei jedoch nicht das Ziel, alle „auf Biegen und Brechen“ in die Selbstständigkeit zu bringen. Wenn es Alternativen gebe, zum Beispiel eine Festanstellung, würden diese besprochen. „Es wird nicht jeder eine erfolgreiche Selbstständigkeit hinbekommen“, räumt sie ein, „aber bei einigen bin ich jetzt schon überzeugt“.

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