Viele leere Versprechungen

Brüssel/Straßburg · Trotz vieler Programme hat die EU den zahlreichen arbeitslosen Jugendlichen kaum geholfen. Dabei sind sie die eigentlichen Verlierer der Krise. Noch immer. Kritiker fordern mehr Investitionen in Wachstum und Bildung.

Sie sind jung, ledig und - arbeitslos. Jeder Zweite in Griechenland, nahezu jeder Zweite in Spanien, jeder Dritte in Kroatien, Italien und Portugal, jeder Vierte in Zypern und Belgien. Über 21 Prozent in der ganzen EU. Während EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen noch Anfang des Jahres bilanzierte, der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit trage Früchte, ist die SPD-Europa-Abgeordnete und -Arbeitsmarktexpertin Jutta Steinruck anderer Meinung: "Die Realität sieht anders aus."

Als Initiative, die "jeden Tag Arbeitsplätze" schaffe, lobt Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sein 315-Milliarden-Programm "Europäischer Fonds für strategische Investitionen " (EFSI). 249 Projekte mit rund 100 Milliarden Euro Investitionsvolumen seien angestoßen worden - ein knappes Drittel des geplanten Umfangs. Doch die Kritik ist laut und heftig. "Wahrscheinlicher ist, dass Investitionen , die ohnehin stattgefunden hätten, nun ein EFSI-Siegel tragen dürfen", sagt der CSU-Abgeordnete Markus Ferber ironisch. Und der Vorsitzende der Europa-SPD und EFSI-Berichterstatter, Udo Bullmann, kritisiert, von den geplanten grenzüberschreitenden Projekten sei "kein einziges realisiert" worden.

Sicher ist vor allem, dass die Auswirkungen auf jene über fünf Millionen junger Menschen unter 25 Jahren, die weiter ohne Job sind, gering blieben. Zwar konnte Griechenland die Jugendarbeitslosigkeit um rund sieben Prozent senken, aber sie verharrt immer noch bei 51,4 Prozent. "Das Problem ist nicht gelöst", sagt Steinruck. "Wenn junge Menschen Arbeit haben, sind das häufig prekäre Arbeitsverhältnisse und befristete Jobs mit schlechter Bezahlung ohne nachhaltige Perspektive auf Beschäftigung." Daran hat auch die Ausbildungsgarantie nicht geändert, die 2012, 2013 und 2014 immer wieder neu EU-weit verkündet wurde. Sie sollte jedem Jugendlichen unter 25 Jahren innerhalb von vier Monaten einen Job, eine Ausbildung oder einen Praktikumsplatz bringen. So viele junge Arbeitslose seien "zu viel, viel zu viel", zeigte sich Frankreichs Staatspräsident François Hollande empört.

Doch der Fördertopf von sechs Milliarden Euro blieb größtenteils ungenutzt. Die Schuld dafür liegt vor allem bei den Mitgliedstaaten, in denen die Strukturen nicht angepasst wurden, heißt es in Brüssel. So forderte die Kommission Spanien auf, die Qualität und Effektivität bei der Unterstützung von Jobsuchenden zu verbessern. In Kroatien wurden dramatische Defizite im Bildungssystem ausgemacht. Italien bekam einen Rüffel, weil die berufsorientierte Hochschulausbildung nicht angemessen erweitert wurde. In anderen Mitgliedstaaten müsse man überhaupt erst dafür werben, dass eine berufliche Ausbildung eine echte Perspektive sei. "Da stimmen teilweise Strukturen und Einstellungen hinten und vorne nicht", hieß es gestern aus der Kommission.

"Die Berufsausbildung in vielen Mitgliedstaaten bleibt noch weit hinter ihren Möglichkeiten zurück", ergab eine Studie des Institutes der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, die im vergangenen Oktober veröffentlicht wurde. Mehr Beratung, mehr Beweglichkeit, mehr Durchlässigkeit, mehr internationaler Austausch seien nötig. "Wir können uns eine verlorene Generation in Europa weder sozial noch ökonomisch leisten", betonte der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann-Stiftung, Aart de Geus. Die Bertelsmann-Stiftung sieht die Generationengerechtigkeit in Gefahr, wenn Jugendliche zu den Verlierern der Krise gehören.

Daran trügen die überschuldeten Staaten ebenso mit Verantwortung wie der verordnete Sparzwang: Fast alle betroffenen Regierungen kürzten die Ausgaben in erster Linie bei der Bildung und den sozialen Projekten. Experten fordern, dass die Regierungen für Wachstum sorgen, damit die Arbeitslosigkeit endlich sinkt. Das tut sie zwar, aber viel zu langsam.

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Hintergrund Europatriates ist eine Initiative der SHS Foundation "Saarländer helfen Saarländern". Sie wirkt unter anderem mit an dem Mobi-Pro-EU-Programm von Bundesarbeitsministerium und Bundesagentur für Arbeit . Der Ansatz: In anderen EU-Ländern sind viele junge Leute arbeitslos, hier in Deutschland suchen viele Arbeitgeber nach Lehrlingen. So können alle profitieren. Die Spannbreite in der Ausbildung reicht von Gärtner über Koch bis Elektroniker. 19 Spanier haben im vergangenen Jahr eine Ausbildung angefangen, in den nächsten Wochen kommen weitere 33 Spanier ins Saarland, um mit einem Praktikum in ihre Ausbildung zu starten. Weitere Projekte mit je zwölf bis 15 Teilnehmern sollen im Herbst in verschiedenen Ländern starten. An den Pilotprojekten beteiligen sich Partner aus Bulgarien, Ungarn, Litauen, Griechenland und Spanien. mzt

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