Viel Kritik, aber auch Lob für die Ökostrom-Reform aus dem Saarland

Saarbrücken · Die Grundzüge für eine Reform der Ökostrom-Förderung stehen. Das System von Garantiepreisen für die Erzeuger wird von einem Ausschreibungsmodell abgelöst. So soll mehr Marktwirtschaft in der Branche wirken.

 Bei Windanlagen an Land soll künftig der Anbieter bauen dürfen, der am wenigsten Förderung bekommen will. Foto: Ruppenthal

Bei Windanlagen an Land soll künftig der Anbieter bauen dürfen, der am wenigsten Förderung bekommen will. Foto: Ruppenthal

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Im Saarland hat der Berliner Kompromiss bei der Ökostrom-Förderung gegensätzliche Reaktionen ausgelöst. Kritik kam aus der Energiewende-Branche, Lob von der Industrie- und Handelskammer (IHK). "Die Umstellung des Fördersystems von der garantierten Festvergütung zum Ausschreibungsverfahren war überfällig. Jetzt müssen die erneuerbaren Energien zeigen, dass sie am Markt bestehen können", sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Heino Klingen.

Die Vertreter der Bürgerenergiegenossenschaften, die am vergangenen Wochenende in einem Brandbrief an die Landesregierung deutlich gemacht haben, dass das neue EEG solche Genossenschaftsmodelle gefährde, fühlen sich dagegen im Regen stehen gelassen. "Die geplante Förderkürzung für Projekte, die aktuell in der Genehmigung sind, kappt die komplette Rendite", sagt Jürgen Millen von der Energiegenossenschaft Hochwald. Angesichts des langen Vorlaufes, den solche Planungen hätten, könne es nicht sein, dass im letzten Moment die Bedingungen geändert werden. Auch Thomas Nägler von Ökostrom Saar bezeichnet diese Förderkürzung "auf den letzten Metern" als "perfide". Besonders ärgerlich findet er, dass auf der einen Seite Bürgerprojekte beschnitten werden, auf der anderen Seite auf Wunsch Seehofers Netzkabel mit Milliardenkosten in die Erde gelegt werden. Eva Hauser vom Institut für Zukunftsenergiesysteme (Izes) hält die Einigung für "keinen großen Wurf". Statt den Zubau zu begrenzen, müsse die Regierung dringend den Netzausbau vorantreiben.Die Energie reichte nur bis zwei Uhr früh


Bund und Länder einigen sich weitgehend auf die künftige Förderung von Ökostrom - Biomasse noch offen

Die Grundzüge für eine Reform der Ökostrom-Förderung stehen. Das System von Garantiepreisen für die Erzeuger wird von einem Ausschreibungsmodell abgelöst. So soll mehr Marktwirtschaft in der Branche wirken.

Fast sechs Stunden dauerte der Poker im Kanzleramt, und er ist immer noch nicht ganz zu Ende. Immerhin einigten sich 16 Ministerpräsidenten und die Bundesregierung auf die wichtigsten Eckpunkte für eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Der Kern: Der Zubau an Anlagen zur Erzeugung von Wind-, Solar- und Biostrom wird etwas gebremst, um die Kosten in Grenzen zu halten. Maximal 40 bis 45 Prozent des Stroms sollen 2025 öko sein, heute sind es etwa 32 Prozent. Und es wird ab 2017 ein neues System eingeführt: Ausschreibungen statt feste Fördersätze. Die erneuerbaren Energien seien, sagte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD ), "keine jungen Welpen mehr, die Welpenschutz brauchen".

Die Beratungen hatten den Charakter eines "vorgezogenen Vermittlungsausschusses" zwischen Bundesrat und Bundesregierung, wie ein Teilnehmer sagte. Die Länder feilschten um die Zubau-Mengen für "ihre" jeweils bevorzugte erneuerbare Energie. Nach den Gesprächen hieß es, dass man sich zu 90 Prozent geeinigt habe. Die offenen zehn Prozent beträfen vor allem die Biomasse, für die sich Bayern starkmachte. In der Runde stieß sauer auf, dass Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU ) nicht bis zum Schluss der Beratungen um zwei Uhr am Morgen blieb und seiner Vertreterin auch keine Prokura gab, die Verhandlungen abzuschließen. Bis zur Kabinettsentscheidung nächsten Mittwoch wird also hinter den Kulissen weiterverhandelt. Aber, so hieß es, nur noch um Details. Hier die wichtigsten Eckpunkte:

Wind an Land: Pro Jahr dürfen künftig maximal Anlagen mit einer Leistung von 2800 Megawatt zugebaut werden. Das wären etwa 1000 Windräder . Auch der Ersatz eines alten Windrades durch ein neues, leistungsstärkeres zählt dabei mit. Zum Vergleich: Im letzten Jahr lag der Zubau mit 3730 Megawatt deutlich höher. Es gilt künftig das Ausschreibungsprinzip: Den Zuschlag bekommt der Betreiber, der die geringste Förderung (künftig "Marktprämie" genannt) haben will. Und: Nicht alle Windräder dürfen in den Nordländern entstehen, sondern nur 58 Prozent. Der Grund sind Engpässe bei den Stromnetzen.

Wind auf See: Hier wurde Gabriels Vorgabe, bis 2030 insgesamt maximal 15 000 Megawatt zu errichten, akzeptiert. 3300 Megawatt sind schon in Betrieb. Rund 750 Megawatt pro Jahr sind also möglich, das entspricht etwa 150 neuen Anlagen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU ) sagte nach dem Treffen, damit sei die "kritische Masse" erreicht, die eine neue Industrie benötige. Die Branche war damit schon im Vorfeld einverstanden gewesen, hatte nur mehr Flexibilität bei der Umsetzung gefordert. Gabriel räumte gestern früh weiteren "Beratungsbedarf" ein.

Solar: Für kleine Solaranlagen auf dem Hausdach gilt das Ausschreibungsprinzip nicht, hier gibt es weiter die EEG-Förderung. Erst ab 750 Kilowatt kommt es zur Auktion. Ausgeschrieben werden insgesamt 600 Megawatt pro Jahr. Die Gesamtleistung soll sich nicht um mehr als 2500 Megawatt pro Jahr erhöhen. Die Branche tobte gestern: Der Solarenergie werde in Deutschland "ein Schattendasein" verordnet.

Biomasse: 300 Megawatt hatte vor allem Bayern als Zubau-Menge pro Jahr haben wollen, 100 hatte Gabriel geboten. Am Ende wurden es 150. Doch könnten es noch etwas mehr werden, wenn an den kleinen Stellschrauben bei der Windkraft noch gedreht werden sollte und die Südländer etwas mehr Menge abbekommen.

Umweltverbände und Grüne kritisierten die Beschlüsse heftig. Mit diesen Eckpunkten könnten die deutschen Klimaziele nicht erreicht werden, sagte etwa Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter . Das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg stimmte dem Ergebnis allerdings zu. Von einem "Ausbremsen der Energiewende" sprach die Umweltorganisation BUND. Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU ) sagte unserer Zeitung, man habe einen "vernünftigen Kompromiss" erzielt. Deutschland bleibe im Ausbaukorridor für die erneuerbaren Energien, sorge aber gleichzeitig dafür, "dass die Kosten nicht durch die Decke schießen". Durch das Ausschreibungsprinzip kehre mehr Marktwirtschaft ein. "Das ist auch richtig." Die bisherige EEG-Förderung habe dem Anschub gedient, "das durfte keine Dauersubvention werden." Für das Saarland sei zentral gewesen, dass es beim Eigenstromverbrauch etwa der Kraft- und Stahlwerke keine Verschlechterungen gebe und dass auch außerhalb der Küstenregionen Windkraftanlagen errichtet werden könnten. Im Saarland hat der Berliner Kompromiss bei der Ökostrom-Förderung gegensätzliche Reaktionen ausgelöst. Kritik kam aus der Energiewende-Branche, Lob von der Industrie- und Handelskammer (IHK). "Die Umstellung des Fördersystems von der garantierten Festvergütung zum Ausschreibungsverfahren war überfällig. Jetzt müssen die erneuerbaren Energien zeigen, dass sie am Markt bestehen können", sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Heino Klingen.

Die Vertreter der Bürgerenergiegenossenschaften, die am vergangenen Wochenende in einem Brandbrief an die Landesregierung deutlich gemacht haben, dass das neue EEG solche Genossenschaftsmodelle gefährde, fühlen sich dagegen im Regen stehen gelassen. "Die geplante Förderkürzung für Projekte, die aktuell in der Genehmigung sind, kappt die komplette Rendite", sagt Jürgen Millen von der Energiegenossenschaft Hochwald. Angesichts des langen Vorlaufes, den solche Planungen hätten, könne es nicht sein, dass im letzten Moment die Bedingungen geändert werden. Auch Thomas Nägler von Ökostrom Saar bezeichnet diese Förderkürzung "auf den letzten Metern" als "perfide". Besonders ärgerlich findet er, dass auf der einen Seite Bürgerprojekte beschnitten werden, auf der anderen Seite auf Wunsch Seehofers Netzkabel mit Milliardenkosten in die Erde gelegt werden. Eva Hauser vom Institut für Zukunftsenergiesysteme (Izes) hält die Einigung für "keinen großen Wurf". Statt den Zubau zu begrenzen, müsse die Regierung dringend den Netzausbau vorantreiben. kol

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