Veggie-Boom hat an Schwung verloren

Düsseldorf · Die Begeisterung für Fleischersatzprodukte hat Marktforschern zufolge nachgelassen. Wurstersatz und Veggie-Frikadellen schmecken offensichtlich nicht allen. Dazu könnten auch Warentests beigetragen haben.

Die Begeisterung für vegane und vegetarische Ernährung hat in Deutschland in den vergangenen Monaten einen spürbaren Dämpfer bekommen. Nach aktuellen Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ist der über Jahre hinweg boomende Markt für Fleischersatzprodukte - wie vegetarische Fleischwurst oder Sojaschnitzel - seit dem Sommer auf Schrumpfkurs.

Die Entwicklung überrascht. Denn noch Ende 2015 konnten sich die Hersteller von Fleischersatzprodukten dank des wachsenden Umwelt- und Gesundheitsbewusstseins der Verbraucher und der Experimentierlust von Gelegenheits-Vegetariern über Zuwachsraten von mehr als 50 Prozent freuen. Doch in diesem Jahr schwächte sich das Wachstum überraschend schnell ab und kam dann zum Erliegen. "In den letzen zwei, drei Monaten sind die Verkäufe sogar rückläufig", berichtet GfK-Experte Helmut Hübsch. "Viele Verbraucher haben das mal ausprobiert. Aber ein großer Anteil davon hat es auch bei dem einmaligen Versuch belassen", sagt Hübsch. Der Geschmack der Produkte hat offenbar nicht immer überzeugt. "Wir haben einen relativ hohen Anteil von Einmalkäufern."

Mitverantwortlich für den Umschwung könnten aber auch Untersuchungen der Stiftung Warentest und von Öko-Test gewesen sein, die in den vergangenen Monaten Schlagzeilen machten. Öko-Test untersuchte im Frühsommer 22 Fleischersatzprodukte auf Schadstoffe, Fett, Salz und Geschmack. Das ernüchternde Ergebnis: Nur ein Produkt bekam von den Testern die Note "gut". Bei knapp der Hälfte der Produkte lautete das Urteil am Ende "mangelhaft" oder "ungenügend".

Die Tester kritisierten die "überraschend hohe Belastung" mit Mineralölbestandteilen bei einigen Produkten, aber auch Überwürzung und die Verwendung glutamathaltiger Zusätze, um den Produktgeschmack auf fleischähnlich zu trimmen. Außerdem bemängelten sie die allzu großzügige Verwendung von Salz und die "oftmals weiche bis breiige Konsistenz" der Produkte.

Etwas besser, aber auch nicht wirklich gut, fiel ein Test von 20 Fleischersatzprodukten durch die Stiftung Warentest aus. Zwar bekamen hier sechs Produkte die Note "gut". Doch warnten die Tester vor "hohen Mengen an Mineralölbestandteilen" in fünf Bratwürsten und einem Veggie-Schnitzel. Und darüber hinaus stellten sie fest: "Einige Veggie-Varianten schmeckten trocken, waren schwer zu kauen oder sehr salzig. Auch sind sie nicht per se kalorienärmer als die vergleichbaren Fleischprodukte."

Für den Marketing-Experten Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU kommt der Rückschlag denn auch nicht völlig überraschend. "Vegetarische und vegane Produkte sind nach wie vor kleine Nischenmärkte," sagt er.

Zu Ende ist der Veggie-Boom jedoch nach Einschätzung der Experten trotz des Rückschlags nicht. "Es geht vielleicht nicht so flott aufwärts, wie ursprünglich gedacht, aber das Thema ist nicht erledigt", ist der GfK-Handelsexperte Wolfgang Adlwarth überzeugt.

Schließlich reduzieren nach einer Studie der Marktforscher inzwischen mehr als ein Drittel der Haushalte in Deutschland bewusst den Fleischverzehr. Vor allem unter den jüngeren Verbrauchern gebe es eine wachsende Gruppe, die aus ethisch-moralischen Gründen wie Tierwohl und Umweltschutz den Fleischkonsum ablehne. "Solche Überzeugungen wirft man nicht einfach so über Bord, wenn man älter wird", sind die Konsumforscher überzeugt. Der Anteil der Vegetarier werde daher wohl weiter zunehmen.

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