Uruguay besiegt Tabakriesen

Montevideo · Philip Morris wollte Uruguays strenge Rauchergesetze aushebeln – und ist damit gescheitert. Der Fall wurde im Ringen um die Rolle von privaten Schiedsgerichten bei Freihandelsabkommen wie TTIP zum Politikum.

 Ein Mann geht in Uruguays Hauptstadt Montevideo an einem Kunstwerk vorbei, das sich gegen Rauchen wendet. Foto: Franco/dpa

Ein Mann geht in Uruguays Hauptstadt Montevideo an einem Kunstwerk vorbei, das sich gegen Rauchen wendet. Foto: Franco/dpa

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Die Nachricht aus Washington ist so bedeutsam, dass Tabaré Vázquez zu einer Ansprache vor die Kameras tritt. Der frühere Krebsarzt führt als Präsident von Uruguay einen unerbittlichen Kampf gegen das Rauchen. Zigarettensorten wie "Lights" gelten in dem Land als Verbrauchertäuschung und sind verboten. Ebenso wie Zigaretten-Werbung. Dazu gibt es großformatige Warnhinweise auf Packungen. Und ein sehr strenges Rauchverbot . Der Tabakriese Philip Morris mit seiner weltweit führenden Marke Marlboro wollte das nicht dulden. Und zog vor ein Schiedsgericht.

Das war 2010, aber Verfahren vor dem bei der Weltbank angesiedelten internationalen Schiedsgerichtshof ICSID sind langwierig. Nun gibt es ein Urteil: Das Gericht habe die Klagepunkte des Konzerns "komplett zurückgewiesen", jubiliert Vázquez in Montevideo . "Es ist nicht zulässig, kommerzielle Aspekte über die Verteidigung der Grundrechte auf Leben und Gesundheit zu stellen."

Das Urteil dürfte auch im Kanzleramt in Berlin studiert werden. Der schwedische Konzern Vattenfall hat Deutschland vor dem hinter verschlossenen Türen tagenden Schiedsgericht auf rund 4,7 Milliarden Euro Schadenersatz verklagt. Wegen des Atomausstiegs. Zwischenzeitlich hieß es, die Klage habe gute Erfolgsaussichten, wegen der abrupten Wende der deutschen Politik und der aus Sicht der Energiekonzerne wackligen Begründung zur sofortigen Stilllegung von neun Atomkraftwerken nach dem Unfall im japanischen Fukushima 2011. Noch ist unklar, wann es hier eine Entscheidung geben wird. Aber in der Bundesregierung fürchtet man eine Niederlage. Es könnte politisch der Todesstoß für das Freihandelsabkommen TTIP zwischen EU und den USA sein, da die USA auf private Schiedsgerichte pochen. Die Krux: Drei Richter fällen beim ICSID eine intransparente Entscheidung, ob die Geschäfte von Konzernen durch nationale Gesetze unrechtmäßig eingeschränkt werden. Eine Revision ist nicht möglich.

Hätte Uruguay verloren, hätten einige Gesetze wohl entschärft werden müssen. 2006 hatte Vázquez in seiner ersten Amtszeit zunächst ein Rauchverbot in Restaurants eingeführt. 2009 folgten harte Restriktionen im Zigaretten-Vertrieb. Die Warnungen vor Gesundheitsrisiken mussten 80 Prozent der Verpackungsoberfläche einnehmen, die Werbung wurde stark begrenzt. 2014 wurde ein absolutes Verbot für Zigarettenwerbung erlassen. Philip Morris musste nach den Maßnahmen von 2009 sieben seiner zwölf in Uruguay vertriebenen Zigarettenmarken zurückziehen und forderte vor dem Gericht in Washington zwei Milliarden Dollar Entschädigung.

Der Fall zeigt, dass auch solch ein Schiedsgericht die Rolle des Staates stärken kann - was TTIP-Befürwortern wohl entgegenkommt. Vázquez spricht von einem weltweiten Präzedenzfall. Er sieht zudem eine Stärkung des internationalen Rahmenvertrags zur Tabakkontrolle. Dieser von 180 Staaten getragene Vertrag fordert bis spätestens 2025 ein komplettes Ende von Werbung und Sponsoring für Tabak. Die harten Gesetze zeigen am Río de la Plata übrigens Wirkung. Von 2005 bis 2014 ging der Statistikbehörde zufolge der Anteil der uruguayischen Raucher von 35 auf 22,4 Prozent zurück. Seinen Kurs sieht der gelernte Krebsarzt Vázquez bestätigt.

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