Tuifly sagt für heute alle Flüge ab

Hannover/Berlin · Wilder Streik oder rätselhafte Krankheitswelle? Die Fluggesellschaft Tuifly bekommt wegen fehlender Besatzungen immer weniger Flugzeuge in die Luft, seitdem bekannt ist, dass sie in einer neuen Holding aufgehen soll.

 Menschenleer ist der Tuifly-Schalter am Flughafen Hannover. Dort fielen mehrere Flüge aus. Foto: Stratenschulte/dpa

Menschenleer ist der Tuifly-Schalter am Flughafen Hannover. Dort fielen mehrere Flüge aus. Foto: Stratenschulte/dpa

Foto: Stratenschulte/dpa

Die massenhaften Krankmeldungen bei ihren Besatzungen zwingen die Fluglinie Tuifly in die Knie. Am Freitag werde der Ferienflieger seinen Betrieb komplett einstellen, teilte der Touristikkonzern Tui am Donnerstagabend mit. 108 Flüge werden gestrichen. Nach Angaben einer Tui-Sprecherin sind rund 9000 Passagiere betroffen. Auch gestern hatten sich wie schon an den Vortagen zahlreiche Crew-Mitglieder bei Tuifly kurzfristig krank gemeldet und damit den Flugbetrieb weiter eingeschränkt.

"Um Urlauber aus den Feriengebieten nach Hause zu bringen, hat Tui erneut Flugzeuge anderer Airlines gechartert", teilte Tui mit. Auch in den nächsten Tagen könne es dazu kommen, dass Flüge gestrichen werden. Der kriselnden Air Berlin könnten ebenfalls weitere Ausfälle drohen, denn ein Drittel der Tui-Flotte fliegt für Air Berlin. Die 108 nun abgesagten Flüge bezögen sich aber alleine auf Tuifly, sagte eine Tui-Sprecherin.

Tausende Passagiere beider Airlines mussten gestern auf ihre Verbindungen warten oder ihre Urlaubsreisen abblasen. Auch saarländische Urlauber waren betroffen. Die Flüge ab Saarbrücken-Ensheim nach Rhodos und von der griechischen Insel ins Saarland wurden gestrichen. Gestern Abend wurde der Flug 7.05 Uhr nach Heraklion (Kreta) abgesag t.

Tuifly habe gestern für Air Berlin keinen einzigen der geplanten 90 Flüge durchgeführt, sagte Air-Berlin-Sprecher Uwe Kattwinkel. Mit Hilfe anderer Crews habe Air Berlin 30 dieser 90 Flüge anbieten können. Kattwinkel sprach von einer "dramatischen Situation".

Die Flugleitung der Tuifly versuchte gegenzuhalten und charterte nach eigenen Angaben 18 zusätzliche Flugzeuge von anderen Gesellschaften. Air Berlin schloss mit den Gewerkschaften Verdi und Vereinigung Cockpit sowie dem Betriebsrat eine Krisenvereinbarung, in der Piloten, Flugbegleiter und Bodenpersonal bis Sonntag zu freiwilligen Einsätzen aufgerufen werden.

Als Hintergrund werden der tiefgreifende Umbau der hoch verschuldeten Air Berlin und damit einhergehende Veränderungen bei der Tuifly gesehen. Die deutsche Fluggesellschaft des Touristikkonzern Tui soll gemeinsam mit Air-Berlin-Teilen in eine neue Dachholding für Ferienflieger integriert werden. Arbeitnehmervertreter fürchten Job-Verluste und schlechtere Tarifbedingungen.

Ihre Gäste will die Tuifly nicht entschädigen und beruft sich auf höhere Gewalt, die für die Ausfälle und Verspätungen verantwortlich sei. "Entschädigungs- beziehungsweise Schadensersatzansprüche der Kunden entstehen daraus nicht", teilte Tui Deutschland in Hannover mit. Eine Sprecherin betonte: "Die massenhaften und äußerst kurzfristigen Krankmeldungen sind ein außergewöhnlicher und nicht vermeidbarer Umstand im Sinne von höherer Gewalt."

Anders sieht das Philipp Kadelbach vom Flugrechtsportal Flightright. Tuifly könne sich nicht auf höhere Gewalt berufen. Krankheitswellen zählten zu den normalen Betriebsrisiken, die Airlines einkalkulieren müssten. Dies gelte auch bei Zweifeln, ob tatsächlich eine Krankheit vorliege. Er empfehle allen betroffenen Passagieren, ihre Entschädigungsansprüche geltend zu machen.

Die Unternehmen haben nach Einschätzung des Berliner Arbeitsrechtlers Robert von Steinau-Steinrück kaum Möglichkeiten, die Krankmeldungen der Beschäftigten zu hinterfragen oder ihnen gar einen "wilden Streik" zu unterstellen. Es sei sehr schwierig zu beweisen, dass die Beschäftigten die Krankheit nur vortäuschten. Ärztliche Atteste hätten eine hohe Beweiskraft. Falsche Krankmeldungen erfüllen dem Anwalt zufolge aber den Straftatbestand des Betruges.

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