Suche „nach der DNA des Hauses“

Saarbrücken · Bodo Busse, seit 2010 Intendant des Coburger Landestheaters, wird 2017 in Saarbrücken Nachfolger von Dagmar Schlingmann. Bei seiner Vorstellung gestern zeichnete er erste Umrisse seiner künftigen Programmpolitik.

 Dagmar Schlingmann mit ihrem Nachfolger Bodo Busse gestern im Theaterfoyer. Foto: Oliver Dietze

Dagmar Schlingmann mit ihrem Nachfolger Bodo Busse gestern im Theaterfoyer. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Wer die Spielpläne des Coburger Noch-Intendanten Bodo Busse der vergangenen fünf Jahre studiert, hat nicht das Programmprofil vor Augen, das dem 46-Jährigen als künftigem Generalintendanten des Saarländischen Staatstheaters vorschwebt. Das ist vielleicht die wichtigste Botschaft aus der gestrigen Präsentation Busses. Zum Glück, muss man sagen. Waren und sind diese Coburger Spielpläne doch - ausgenommen einige durchaus ambitionierte Opernproduktionen - vergleichsweise konventionell und eher besorgniserregend breitentauglich gebürstet.

Bei Busses Vorstellung gestern machte dieser jedenfalls deutlich, dass für ihn Saarbrücken kein zweites Coburg werden soll. Nicht nur, weil Anzahl und Größe der hiesigen Spielstätten und Ensemblebereiche (allen voran im Musiktheater) mehr Potenzial hätten. Nein, Busse will offenkundig auch mehr wagen als in Oberfranken, wo es darum gegangen sei, nicht "den Ruf eines Broadways Oberfrankens" zu verlieren. Nicht nur im Musiktheater möchte er "das Repertoire an den Rändern erweitern" - etwa in Richtung französischer Opern. "Barock und Belcanto" war gestern ein (allerdings auch schon in Coburg) von Busse zu hörendes Schlagwort in seiner munteren Tour d'horizon. Auch im Schauspiel zeigen die gestern gezeichneten ersten Umrisse seiner Programmpolitik, dass ihm neben Klassikerpflege offenbar auch "gesellschaftsrelevantes Gegenwartstheater" ein maßgebliches Anliegen ist.

Forcieren will Busse konkret die Kooperationen mit den Saarbrücker Hochschulen (und Formen der Zusammenarbeit mit der Deutschen Radiophilharmonie ausloten). Er träume davon, hier ein Opernstudio zu installieren, das die Vernetzung der Theater der Großregion (dezidiert auch auf französischer und luxemburgischer Seite) stärkt und etwa Möglichkeiten eröffne, Wagners "Ring" gemeinschaftlich zu stemmen und reihum auf Tour zu schicken. Das Staatstheater solle "ein Echoraum des (inter-)nationalen Theaterschaffens" werden - der Mann geht seine Sache alles andere als defensiv an und versteht sich dabei als Netzwerker. Wobei er auch die Saarbrücker Sparten markanter ineinanderfügen und etwa "Schauspiel und Tanz zusammenbringen" will. Die Sparte 4 bleibe als Experimentalbühne erhalten - ob am angestammten Ort ließ er offen. Er sei, warb Busse in eigener Sache, "berühmt dafür, alle möglichen Spielorte zu suchen, um das Haus als Ganzes zu öffnen". Auch "krachledernes Wirtshaustheater" habe er dabei im Sinn. Selbst ein Mann des Musiktheaters (siehe Infokasten), kündigte er an, die Position des Operndirektors persönlich zu übernehmen, was nicht unerhebliche Einspareffekte zeitigen dürfte. Anstelle eines Schauspieldirektors schwebt dem künftigen Hausherr eher eine "Kollektivlösung mit einem dramaturgischen Kopf und einem Hausregisseur" vor.

Gefragt, wofür er als Intendant des Landestheaters Coburgs stehe, hat Busse vor zwei Jahren in einem auf youtube abrufbaren Interview gesagt, er stehe für ein breites Repertoire und wolle möglichst viele ins Theater locken. "Mit interessanten, durchaus auch modernen ästhetischen Handschriften, die aber nicht verstörend sind". Konfrontiert mit dieser reichlich behutsam klingenden Aussage, schob er gestern nach, Theater solle nicht so weit gehen, "dass die Leute nicht mehr kommen". Busse bemühte sich jedoch klarzustellen, dass Gefälligkeitstheater nicht sein Ding sei. Erst einmal werde er nun "die DNA dieses Hauses und dieser Stadt" kennenlernen und auf dieser Basis seine Programmpolitik ausrichten.

Kulturminister Ulrich Commerçon betonte, Busse habe sich "in einem sehr starken Bewerberfeld" nach Ansicht der Findungskommission, der auch die Theatermacher Andrea Badora (Volkstheater Wien) und Ulrich Khuon (Deutsches Theater Berlin) angehörten, "ganz klar" als erste Wahl erwiesen, weshalb das Votum einstimmig ausgefallen sei. Busse habe auch "durch seine Führungspersönlichkeit" überzeugt, so der Minister, der mit Blick auf die erst 2017 nach Braunschweig wechselnde Dagmar Schlingmann meinte, dies sei nicht der Tag für einen "Rückblick". Schlingmann verfolgte die Präsentation ihres Nachfolgers aus der hinteren Reihe - signalisierte jedoch beim Fototermin mit Busse demonstrative Eintracht.

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Zur Person Geboren wurde Bodo Busse 1969 in Stuttgart. Nach seinem Abitur in Filderstadt studierte er in Tübingen Literaturwissenschaft, Musikwissenschaft und (bei Walter Jens) Rhetorik. Bei Ruth Berghaus besuchte Busse Meisterkurse für Opernregie und heuerte nach Praktika und Assistenzen an der Staatsoper Stuttgart und am Opernhaus Zürich schließlich am Staatstheater Mainz als Musikdramaturg an. Es folgten Engagements in Dortmund, Gießen und Wiesbaden, wo er unter Intendant Manfred Beilharz Mitglied der Opernleitung wurde. Mit der Spielzeit 2010/11 wurde Busse Intendant des Coburger Landestheaters (Etat: 14,5 Millionen Euro), das er seither leitet. An der Uni Bayreuth hat Busse einen Lehrauftrag für "Experimentelles Musiktheater". Busse, der in Saarbrücken in erster Linie "nicht als inszenierender Intendant" antritt, ist ledig, spricht fließend Französisch und bezeichnete gestern "clarité" (frz. Klarheit) als "mein Lebensprinzip". Offenheit und Ehrlichkeit lägen ihm am Herzen, weshalb er "Hinterhältigkeit nicht mag". cis

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